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Die Frau im Fahrstuhl

Die Frau im Fahrstuhl

Titel: Die Frau im Fahrstuhl
Autoren: Helene Tursten
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wäre es fatal gewesen, wenn er seine Selbstmordmischung erbrochen hätte. Wie hat er das nur wissen können?«
    Hillevi zuckte mit den Achseln.
    »Keine Ahnung. Ich kannte ihn nicht. Vielleicht hatte er sich vorher schlau gemacht«, erwiderte sie desinteressiert.
    »Dazu kommt, dass das Esucos die Wirkung der anderen Tabletten und des Alkohols verstärkt. Als ich die Verpackungen sah, fiel mir auf, das auf denen, die Esucos, Kodein, Recipen und Halcion enthalten hatten, keine Apothekenaufkleber klebten. Wo hatten Evalis oder Lars die Sachen her, wenn nicht aus der Apotheke?«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung. Aber ich erinnere mich, dass ich Evalis einmal Esucos gegen Flugangst gegeben habe, das hat bei ihr ausgezeichnet funktioniert.«
    »Flugangst? Das ist doch wohl keine Indikation für Esucos!«
    »Sie hatte solche Angst, sich übergeben zu müssen. Wie gesagt wirkte Esucos bei ihr.«
    »Und Halcion? Das andere Schlafmittel außer dem Rohypnol? Litt Evalis an Schlaflosigkeit?«
    »Gut möglich. Als Mama vor fünf Jahren starb, verschrieb ich ihr Stesolid. Damals litt sie an Angstzuständen und hatte Probleme beim Einschlafen. Vielleicht bekam sie ja ernsthafte Schlafprobleme, nachdem sie diesen… Psychopathen geheiratet hatte. Vielleicht hatte aber auch er die Schlafprobleme.«
    Erneut dieser gleichgültige Tonfall. War er gespielt? Obwohl sie sich fast fünfunddreißig Jahre kannten, war Yvonne sich nicht sicher. Sie beschloss, ihre letzte Frage zu stellen, die unangenehmste.
    »Die Toxikologen fanden eine Substanz in Lars’ Magen, die in keiner der Tabletten enthalten ist.«
    Sie hielt inne und sah ihre Freundin scharf an. Diese reagierte nicht.
    »Sein Mageninhalt wies eine verschwindende Menge Natriumpentobarbital auf.«
    Hillevis Mundwinkel zitterten leicht. Sie machte jedoch keine Anstalten, etwas zu sagen.
    »Das ist ein Schlafmittel, das zum Einschläfern von Tieren verwendet wird. Es wird in der Schweiz und in anderen Ländern, in denen die Euthanasie legal ist, verwendet«, sagte Yvonne langsam.
    Die Stille im Wintergarten war elektrisch aufgeladen. Die untergehende Sonne färbte das Meer und den Himmel purpurrot. Ein fantastisches Naturschauspiel bot sich ihren Blicken, aber keine der beiden Frauen hatte Augen dafür.
    Schließlich sagte Hillevi: »Merkwürdig. Wo hatte er das nur her?«
    »In einer Apotheke werden sie ihm das nicht verkauft haben. Sicher hat das Pentobarbital den Ausschlag gegeben. Er hatte keine Chance!«
    Zum ersten Mal sah Hillevi sie direkt an. Ihre Augen funkelten. Was war das? Angst? Zorn? Yvonne wusste es nicht recht.
    »Nein. Er hatte keine Chance«, flüsterte Hillevi.
    Sie schaute zur Seite und entdeckte die wunderbaren Farben, in die das Meer getaucht war.
    »Oh! Wie schön!«
    Zum ersten Mal, seit sie an diesem Abend das Haus von Yvonne betreten hatte, lächelte sie. Die rote, untergehende Sonne funkelte in ihren Augen. Yvonne fröstelte es, und sie nahm einen großen Schluck Cognac.
     
    Irene hatte Hillevi Hääger angerufen und um eine Unterredung gebeten. Sie hatte ihr angeboten, sie zu Hause aufzusuchen, aber Hillevi hatte es vorgezogen, zu ihr ins Präsidium zu kommen, da sie ohnehin in der Stadt zu tun hatte. Pünktlich um zehn erhielt Irene vom Empfang Bescheid, dass Hillevi Hääger auf sie warte.
    Irene stieg aus dem Fahrstuhl und öffnete die Tür zum Wartezimmer. Keine Hillevi Hääger. Die beiden Wartenden hatten ein sehr ausländisches Aussehen. Der Mann war dunkelhäutig, wahrscheinlich Inder, die Frau kam aus Asien. Irene schaute in Richtung der Toiletten. Vielleicht war Hillevi dort? Da erhob sich die Asiatin und kam auf Irene zu.
    »Ich bin Hillevi Hääger«, sagte sie und hielt Irene die Hand hin.
    Irene war sprachlos, und es gelang ihr nicht, ihre Überraschung zu verbergen.
    »Ach… ach so… ich bin Kriminalinspektorin Irene Huss«, erwiderte sie unbeholfen.
    Hillevi lächelte, als sie mit dem Aufzug in den vierten Stock fuhren.
    »Wussten Sie nicht, dass ich adoptiert bin?«, fragte sie.
    »Nein. Davon stand nirgendwo etwas«, antwortete Irene.
    Der Fahrstuhl blieb stehen, und sie stiegen aus. Irene führte sie in ihr Büro und nahm auf dem Weg zwei Becher Automatenkaffee mit.
    Sie setzten sich zu beiden Seiten des Schreibtischs. Hillevi pustete auf ihren heißen Kaffee und fuhr dann fort zu erzählen.
    »Unsere Eltern waren ein paar Jahre Missionare in China. Sie fanden mich in einem Kinderheim. Ich bin ein Findelkind. Eines Morgens lag ich
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