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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
Autoren: Simon Mawer
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verschlissen war, aber durchaus einmal ein wertvolles Stück gewesen sein mochte. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing ein gerahmter Druck vom Collège de France.
    »Hast du niemanden, der hier mal sauber macht?«, fragte sie. »Sogar in Cambridge hattest du dafür jemanden.«
    »Doch, ich hab jemanden. Eine Reinmachefrau, die ab und zu kommt, aber sie beschwert sich immer, dass sie nicht putzen kann, wenn ich so ein Chaos hinterlasse. Vielleicht sollte es Putzfrauen geben, die erst mal alles aufräumen, bevor die Putzfrau kommt.« Er lachte sein typisches, seltsames Lachen.
    Sie setzte sich in einen der Sessel, und er brachte ihr einen Drink, wieder einen Gin, den sie nicht ablehnte, weil ein Nein sie in ein Mädchen zurückverwandelt hätte, wo sie doch jetzt eine erwachsene Frau war. Was sie bei Ned bisher noch nie gewesen war.
    »Also, erzähl mal, was ist das für eine Geschichte?«
    »Ich kann nicht«, sagte sie.
    »Was soll das heißen, du kannst nicht?«
    »Die Sache ist geheim. Ich musste den Official Secrets Act unterschreiben – und das schon beim Vorstellungsgespräch. Sogar das Gespräch selbst war geheim.«
    »Ach, hör doch auf. Ich wette, es geht um Übersetzungen oder so. Oder ums Spionieren. Vielleicht sollst du General de Gaulle ausspionieren.«
    Sie hätte am liebsten laut aufgelacht. Normalerweise interessierte er sich nie für das, was sie machte. »Alberner Schulmädchenkram«, war so ein Spruch von ihm. Und damals, als sie sagte, sie wolle Jura studieren, hatte er sich über ihre Wahl lustig gemacht. Im Jurastudium lernen wir bloß, wie wir das Gesetz umgehen können, sagte er gern. Die Naturwissenschaft lehrt uns die Zukunft. »Du erzählst mir ja auch nicht, was du machst, also wieso soll ich dir dann sagen, was ich mache.«
    »Weil du es furchtbar gern loswerden würdest, deshalb. Und außerdem erzähl ich dir sehr wohl, was ich mache. Ich arbeite an superhochfrequenter elektromagnetischer Strahlung.«
    »Aber wofür ist die? Das ist doch das Entscheidende. Wozu machst du das?«
    »Ich entwickele eine Strahlenkanone, um die Luftwaffe vom Himmel zu schießen.«
    »Sei nicht albern. Ich weiß, dass das nicht stimmt. Das ist bloß Science-Fiction.« Er war wirklich ein Blödmann. Dauernd erzählte er ihr solche Sachen. Eine Superbombe, die eine ganze Großstadt in Schutt und Asche legen würde. Ein tödliches Strahlenbündel, das Menschen mit Licht umbringen würde. Raketen, die Sprengstoff durch den Weltraum von einem Kontinent zum anderen schleudern würden. Der gleiche Unsinn, wie er in schlechten Romanen vorkam. »Ich kann dir lediglich verraten«, sagte sie, »dass das heute mein letzter Abend in London ist. Morgen geht’s ab nach Schottland.«
    »Schottland?«
    »Ausbildung.«
    »Das klingt ja schauderhaft. In Schottland gibt’s bloß Heidemoore und Schafskutteln und Männer in Röcken. Aber wenn du ins Land der Kutteln fährst, sollten wir dir noch eine anständige Mahlzeit mit auf den Weg geben.«
    Das Restaurant, das Ned ausgesucht hatte, lag auf der Southampton Row. Anscheinend gingen seine Kollegen aus dem Labor gern dorthin. Das Lokal war proppenvoll, Leute drängelten, um einen Tisch zu ergattern, obwohl die Kellner beteuerten, dass keiner mehr frei war. Aber Ned hatte einen reserviert, in einer Ecke, wo niemand etwas aufschnappen konnte und wo sie endlich das tun konnte, was sie die ganze Zeit vorgehabt hatte.
    »Du musst mir versprechen, dass du den Eltern nichts sagst«, beschwor sie ihn. »Auch sonst niemandem. Du darfst kein Wort verraten. Schwör es.«
    Das hörte sich an wie ein Spiel aus ihrer Kindheit. Er lächelte herablassend. »Ich schwöre.«
    »Ehrlich, Ned. Die Sache ist ernst. Ich bin von einer Organisation angeworben worden. Ich muss eine Ausbildung absolvieren, und dann …« Sie sollte es eigentlich nicht sagen, das wusste sie. Und doch war es zu aufregend, um es nicht wenigstens einem Menschen zu erzählen, und dafür kam nur Ned infrage. Ned war immer ihr Vertrauter gewesen. Sie wechselte in Französische. Vielleicht war es sicherer, es auf Französisch zu sagen. »Ils veulent m’envoyer en France.«
    »En France! Pourquoi? Pas possible! O mon Dieu, Marianne, t’es folle!«
    »Die sind verrückt, nicht ich. Zuerst hab ich gedacht, es ginge um meine Sprachkenntnisse, genau wie du; Übersetzungen oder so. Die wollten, dass ich das glaube. Aber ich hab falschgelegen. Wie gesagt, morgen fahr ich nach Schottland. Kommandoausbildung. Die Sache ist ernst,
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