Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
Autoren: Simon Mawer
Vom Netzwerk:
Grimasse. »Pourquoi toutes ces gonzesses anglaises sont glaciales?«, fragte er sich.
    »Wie bitte?«
    »Sie verstehen Französisch?«
    Sie stockte, hätte sich fast verplappert. » Glacial , das hab ich verstanden. Das heißt doch eisig, oder nicht? Was genau finden Sie denn glacial ?«
    Er verzog das Gesicht. »Der englische Sommer ist eisig. L’été glacial , das sage ich immer. Mein Englisch ist so lala. Hören Sie, Sie sind allein hier. Ich bin allein hier. Wir reden, vielleicht? Trinken etwas zusammen? Das ist eine gute Idee, nicht wahr? Ich erzähle meine Lebensgeschichte.«
    Marian überlegte. Ihr gefiel der Gedanke, glacial zu sein. Dann würde man sie wenigstens nicht für ein leichtes Mädchen halten. Ein Flittchen. Sie unterdrückte ein Kichern. »Ich hab keine Zeit für Ihre ganze Lebensgeschichte. Ich bin zum Abendessen verabredet. Aber Sie können mir erzählen, was Sie in London machen.«
    Er zog an seiner Zigarette. »Ich bin aus Frankreich geflohen.«
    »Geflohen? Wie beachtlich. Sind Sie geschwommen?«
    Er lachte. Sein Lachen war sympathisch. Sein Auftreten war arrogant, unangenehm arrogant, aber er lachte wie ein kleiner Junge. »Der Januar ist nicht so gut fürs Schwimmen. Ich bin in Paris, also ich fahre nach Süden – über die Pyrénées nach Spanien. Mit einem Freund. Wir klettern durch Schnee, und als wir über die Grenze sind, sie stecken uns ins Gefängnis.« Er zog eine verächtliche Miene. »Das ist nicht so gut. Aber dann sie lassen uns raus, weil wir machen so viel Probleme. Dann wir kommen nach Algérie , und jetzt wir sind hier.« Er lächelte, als wäre das ein genialer Trick gewesen, den er einem Publikum vorgeführt hatte, eine Flucht, wie sie der große Zauberkünstler Houdini nicht besser hingekriegt hätte. »Und jetzt ich gehe zurück, um gegen die Frisés zu kämpfen.«
    »Wo ist Ihr Freund?«
    »Mein Freund?«
    »Sie sagten, Sie wären mit einem Freund gekommen.«
    »Ach, der.« Er winkte vage mit der Hand. »Er hat gefunden heute Abend eine Frau zum Tanzen, und ich ihn habe lassen gehen. Möchten Sie tanzen? Wir können ihn suchen.«
    »Das geht leider nicht. Ich bin mit meinem Bruder zum Essen verabredet.«
    »Ihr Bruder? Sie haben keinen Freund?«
    »Es geht Sie nichts an, ob ich einen Freund habe oder nicht.«
    Der Franzose nickte, das Gesicht umwabert von dem beißenden Rauch seiner Gauloise. »Sie haben keinen Freund. Wenn Sie wollen, kann ich Ihr Freund sein.«
    »Ich halte das nicht für angebracht.«
    »Angebracht?«
    »Das wäre keine gute Idee.«
    Er blickte untröstlich, wie ein enttäuschtes Kind. Seine Geschichte über die Flucht aus Frankreich war bestimmt reine Fantasie. Und doch war er hier, ein junger Franzose, im lärmenden Herzen Londons, umgeben von den Uniformen zahlreicher Nationen. Irgendwie musste er hergekommen sein.
    »Hören Sie«, sagte er und legte seine Zigarette auf die Tischkante. »Ich spiele ein Spiel mit Ihnen, ja? Wenn ich gewinne, Sie kommen mit mir tanzen. Wenn ich verliere, Sie gehen essen mit Ihrem Bruder.«
    »Ich muss mich mit meinem Bruder treffen, ob ich gewinne oder verliere.«
    »Das Spiel ist ganz einfach.« Er griff in seine Tasche und holte eine Schachtel Streichhölzer hervor. »Ich zeige Ihnen.«
    »Ich möchte wirklich nicht …«
    »Ich zeig Ihnen trotzdem.« Er legte drei Reihen auf dem Tisch zwischen ihnen aus – eine mit drei, eine mit vier und eine mit fünf Streichhölzern. »Jetzt Sie nehmen aus irgendeiner Reihe so viele weg, wie Sie möchten. Dann bin ich dran. Ich nehme nur von einer Reihe wie Sie. Dann sind Sie wieder dran und so weiter. Wer das letzte Streichholz nehmen muss, ist Verlierer.«
    Sie zuckte die Achseln und versuchte, gelangweilt auszusehen. »Aber ich spiele um nichts. Ich meine, wenn ich verliere, heißt das nicht, dass Sie mit mir tanzen gehen können.«
    Er sah sie mit einem schwachen und zugleich aufreizenden Lächeln an. »Wir werden sehen. Sie fangen an.«
    Und so spielten sie zwischen verschüttetem Bier und leeren Gläsern, der junge Franzose mit einer seltsamen Konzentration, als würde seine ganze Zukunft davon abhängen, Marian mit einer zerstreuten Ungeduld, die ihm zeigte, so hoffte sie zumindest, dass ihr das Spiel genauso unlieb war wie seine Gesellschaft. Natürlich gewann er. Das hatte sie von vornherein gewusst. Er grinste sie an und sagte: »Wir spielen noch einmal«, und die zweite Partie gewann er ebenso wie die dritte.
    »Das ist doch blöd«, sagte sie. »Das ist eins
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher