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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
Autoren: Simon Mawer
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von diesen Spielen, bei dem man nicht verlieren kann.«
    »Aber Sie haben verloren.«
    »Weil Sie den Trick raushaben.«
    »Trique?« Er prustete vor Lachen.
    Sie wurde rot, als ihr die Doppeldeutigkeit klar wurde, und sie ärgerte sich, weil sie ihre Verlegenheit nicht kaschieren konnte. »Wie man es richtig macht.«
    »Ah, truc! So ist das immer, nicht? Du gewinnst immer, wenn du den truc kennst.« Er sammelte die Streichhölzer ein und schob sie zurück in die Schachtel, als wären sie kostbare Trophäen. »Und jetzt wir gehen irgendwo tanzen. Das Essen in dieser Stadt de merde ist überall schlecht, aber es gibt wenigstens gute Tanzlokale.«
    »Ich geh nicht mit Ihnen tanzen. Das hab ich doch gesagt.«
    Er sah sie mit hellen und unsteten Augen an. Er wirkte leicht zittrig, als hätte er schon den ganzen Nachmittag getrunken und würde den ganzen Abend weitermachen. »Wissen Sie, was für ein truc ich mache? Ich kehre zurück nach Frankreich, wissen Sie? Ich geh zurück in ma patrie und schneide deutsche Hälse durch. Und Sie wollen nicht mal mit mir tanzen.«
    »Sie sind betrunken«, sagte sie. »Ich gehe nicht mit Männern tanzen, die betrunken sind.«
    »Und Sie sind frigide «, konterte er. »Und ich tanze nicht mit Frauen, die frigide sind.«
    Sie nahm ihre Handtasche und stand auf. »Ich muss gehen.«
    »Warum müssen Sie?«
    »Weil ich sonst zu spät komme.« Er packte ihre Hand, doch sie schüttelte ihn ab. » Tu m’emmerdes!«, sagte sie und ging. Sie schaute nicht zurück, nicht einmal, um seine schockierte Miene zu sehen. Wie sollte sie von ihm wegkommen? Wenn sie nach oben zu ihrem Zimmer ging, würde er ihr wahrscheinlich folgen, und sie würde sich auf keinen Fall verstecken wie ein ängstliches kleines Mädchen. Sie zog ihren Mantel über, hastete durch die Hotelhalle und durch die Drehtür nach draußen. Ein Taxi setzte gerade einen Gast vor dem Hotel ab. Sie stieg ein.
    »Wohin soll’s gehen, Miss?«, fragte der Fahrer.
    Sie nannte ihm Neds Adresse. »Bloomsbury«, sagte sie. »So ungefähr Russell Square.«
    »Russell Square, so ungefähr; wie Sie wünschen.«
    V
    Das Taxi schlich durch die dunklen Straßen. In Piccadilly waren Kinos geöffnet, und ihre schwache Beleuchtung fiel aufs Pflaster. Schwarze Formen bewegten sich vor ihnen wie Schatten im Hades, Silhouetten vor den Kinokassen bildeten lange Schlangen auf den Bürgersteigen. Doch kaum war die Grenze der Tottenham Court Road überquert, war keine Menschenseele mehr zu sehen, und Bloomsbury war ein finsterer Irrgarten.
    »Sind Sie wirklich richtig hier, Miss?«, fragte der Fahrer, als er anhielt, um sie aussteigen zu lassen.
    »Völlig richtig«, sagte sie und reichte ihm das Fahrgeld. Sie kramte in ihrer Gasmaskentasche nach der Taschenlampe. In deren schwachem Licht suchte sie sich ihren Weg zu der Tür des Hauses, in dem Ned wohnte. Sie leuchtete auf die Klingelleiste und wollte gerade auf den Knopf drücken, neben dem Dr. Edward Sutro stand, als die Tür aufging und jemand herausgestürzt kam.
    »’tschuldigung«, sagte er. »Scheißverdunkelung.«
    Sie wich ihm aus und betrat den Hausflur. Die Tür knallte hinter ihr zu. Sie tastete nach dem Lichtschalter, schaltete die fahle, wässrige Beleuchtung ein und stieg dann die schmale Treppe hinauf in den dritten Stock. Sie klopfte und war froh, von drinnen Neds Schritte zu hören.
    »Menschenskind, Äffchen«, sagte er, als er die Tür öffnete. »Du siehst ja todschick aus.« Er drückte sie an sich. Eine Umarmung von Ned war in etwa so, als würde man von einer Dänischen Dogge angesprungen, liebenswert, aber gleichzeitig plump und unangenehm. Seine eigene Kleidung erweckte den Eindruck, als hätte er sie auf dem Trödel erstanden. Sein Haar war zerzaust, und sein Lächeln war das zerstreute Grinsen von jemandem, der sich freut, sie zu sehen, aber in Gedanken eigentlich bei anderen, abstrakten Dingen ist. »Herein mit dir«, sagte er. »Du musst mir alles erzählen.«
    »Was erzählen?«
    »Was du jetzt machst, was immer das auch ist. Ich hab neulich mit den Eltern telefoniert. Sie haben gesagt, du bist nicht mehr beim Frauenhilfskorps. Irgendwas mit einem Auslandseinsatz. Vater meinte, Algier …«
    Sie folgte ihm ins Wohnzimmer. Es sah aus wie Kraut und Rüben, typisch für Ned. Bücher füllten sämtliche Regale und stapelten sich auf dem Fußboden. Der Schreibtisch war mit Papieren übersät. Zwei abgewetzte Sessel standen einander gegenüber auf einem Perserteppich, der alt und
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