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Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)

Titel: Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte: Oder wie ich zum Erzähler wurde (German Edition)
Autoren: Rafik Schami
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Markt wunderbare Früchte der Weltliteratur, die so kongenial übersetzt sind, dass man Cervantes, Márquez oder Eco, um nur drei Beispiele zu nennen, so genießen kann, wie Goethe es gemeint hat, als verstünde man die Originalsprache. Ich kann Übersetzern und Sprachliebhabern Ecos Werk »Quasi dasselbe mit anderen Worten« gar nicht genug empfehlen.
    Einige Übersetzer aber rochen das Erdölgeld, das bekanntlich stinkt, und traten in die Dienste der arabischen Herrscher. Sie schämen sich überhaupt nicht, Exilautorenanzugreifen und offen für den saudischen König zu arbeiten, wie der oben erwähnte Übel-Setzer Harry. Andere befleißigen sich, Saddam Husseins oder Gaddafis stinkende Romane zu übersetzen, die irgendein noch elenderer Ghostwriter für diese Diktatoren geschrieben hat. Warum sollte ein einziger vernünftiger Mensch diese Beleidigungen des guten Geschmacks lesen?
    Die qualitativ guten Werke der arabischen Literatur werden ihren Weg zu den Lesern und Hörern auf der ganzen Welt finden, wenn sich die Autoren an ihre erzählerischen Wurzeln erinnern, nicht im romantischen Sinne zurückgewandt, sondern – wie ich zuvor erklärt habe – von ihnen ausgehend, sie überwinden, so wie Luther sich als guter Katholik an die Wurzeln des christlichen Glaubens erinnerte, um die katholische Kirche zu überwinden und neue Wege zu seinem Arbeitgeber Jesus zu suchen. Hätte er das nicht gemacht, würde die katholische Kirche bis heute den Ablasshandel betreiben. Aber das ist eine andere Geschichte.
    Die guten Werke der arabischen Literatur müssen mit Liebe meisterlich geschrieben und übersetzt und großzügig finanziert werden. Geld ist mehr als genug da, aber zurzeit wird es von Maklern und Maklerinnen zur eigenen Bereicherung verschwendet. Die gute Literatur hat davon selten einen Nutzen. Dagegen habe ich geschrieben und werde immer schreiben.«
    »Dann wundert es mich nicht, dass sie dich hassen«, sagte Ibn Aristo. »Du entlarvst nicht nur ihre Käuflichkeit, sondern auch ihre Inkompetenz in beiden Sprachen.«
    »Er spießt sie auf. Das hat er alles von mir gelernt«, rief Don Quijote stolz und nahm einen kräftigen Schluck Wein, wischte sich über die Lippen und zwirbelte genüsslich seinen Schnurrbart. »Ein guter Tropfen, spanisch?«
    »Nein, pfälzisch, ein Cabernet Sauvignon aus dem Zellertal.«
    »Nun, also«, sagte er und richtete sich auf, stupste Sancho leicht mit der Spitze seines Speers in den Hintern, so dass dieser erschrocken auffuhr. »Wir müssen weiterreisen und den Gerechten helfen. Du brauchst uns nicht mehr. Ich schlage dich zum Ritter der glücklichen Ohren, knie dich nieder.« Sancho rieb sich die Augen, suchte unter den vier Flaschen, bis er eine halbvolle fand, nahm sie und kippte den Rest Wein in sich hinein. »Und du bist sein Knecht«, wandte er sich an Ibn Aristo. Und Ibn Aristo kniete sich neben mich.
    »Jeder Verrückte braucht einen Vernünftigen an seiner Seite«, sagte Sancho und kratzte sich am Hintern. »Der Herr ist genauso meschugge wie mein Herr. Kein Wunder, der Ritter der traurigen Gestalt begleitet ihn seit bald fünfzig Jahren.«
    Dann hielt Don Quijote eine lange Rede, an deren Worte ich mich kaum erinnere. Den Ritterschlag aber führte er ziemlich kräftig aus. Ich wurde Ritter der glücklichen Ohren und wachte mit schmerzender Schulter auf. Ich lag auf dem Sofa, und das Kaminfeuer war zu einer Glut zusammengeschmolzen.
     
    Ich erzählte oben, dass ich einen seriösen Schluss geschrieben habe. In der Tat war er sehr ernst. Ich lobte darin die Vorteile des Erzählens in einer Zeit, in der vor allem junge Menschen immer mehr verstummen, und ich lobte die Förderung des Erzählens, weil sie zugleich eine andere Kunst fördert, nämlich die des Zuhörens. Hier schrieb ich auch den Satz, den mir ein blinder Nachbar in Damaskus vor fünfzig Jahren gesagt hat: »Sprich, damit ich dich sehe!«Ich weiß heute, dass der Spruch von Sokrates stammt, aber mein Nachbar war ein Analphabet. Er hatte Sokrates nie gelesen. Er sprach den Satz aus seinem Bedürfnis heraus.
    Aber trotz diesem und anderen guten Sprüchen geriet mir der Schluss zu moralisch, zu predigend, und deshalb habe ich diesen langen Abschnitt gestrichen.
    Ein Buch lag in der Nähe. Ich habe es aufgeschlagen und ob es Zufall war oder nicht, das Buch schenkte mir den Schluss:
    Reinhold Lagrene erzählt bewegend von der großen Rolle, die die mündliche Erzählkultur für die Identität von Sinti und Roma gespielt
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