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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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Zonnewijzerstraße Hausnummer 2.
    Ady schreibt Ende 1947 an Renée, dass Jupp seine Meisterprüfung machen und sich anschließend mit einem Fahrradgeschäft selbstständig machen möchte. Im Januar 48 erkundigt sich Renée nach dem Stand der Dinge. Jupp hat bei seinem Fahrrad-Meister keine Zukunft gesehen. Ein Mechaniker bei VW verdiente in den 1950er-Jahren noch etwa 1.- D-Mark pro Stunde. Was wird dann ein Mechaniker im Fahrradbusiness rausbekommen haben? Jupp möchte aus diesen Verhältnissen raus und Ady fragt selbst bei Netje in Schweden nach Chancen für Jupp und sich.
    Göteborg 2. 3. 48
    Ady und Jupp,
    bedanke mich für deinen Brief, den ich empfangen habe. Und sehe, dass Ihr beide noch guter Gesundheit seid. Liebe Ady, du fragst, ob sie hier keine Fachmänner (brauchen), es sind hier viele und von Deutschland hergekommen, und die arbeiten alle, auch viele aus Italien sind auch da und die arbeiten alle bei SKF. Das ist eine große Fabrik … und da könnte Jupp anfangen. Ihr müsst zusehen, dass Ihr die Papiere bekommt, bei uns könnt Ihr immer wohnen, wenn Ihr wollt. Und Ihr könntet gutes Geld verdienen und du Ady, könntest im Büro arbeiten, denn die fragen immerzu und du könntest alle Sprachen schreiben und sprechen und das brauchen sie. Ich schreibe das nicht wegen mir, sondern, weil du mich gefragt hast. Ich bin jetzt immer noch nicht zuhause, aber ich habe mich damit getröstet … ich frage mich, ob es in Deutschland jetzt besser ist, ob man mehr zu essen bekommt, und mit der Arbeit …
    So, jetzt ich werde wieder mal aufhören, noch einen guten Tag von deiner Tante an alle,
    Antoinette
    Mit herzlichen Küsschen für euch beide
    Dass Jupp jemals ernsthaft in Erwägung gezogen hat, nach Schweden zu übersiedeln, erscheint unwahrscheinlich. Was Jupp auszeichnet, seine Ruhe, seine Verlässlichkeit, machen ihn auch etwas schwerfällig und unbeweglich. Auf mich wirkt er so, als sei er glücklich in Bottrop und wolle so schnell von dort und seiner Familie nicht wieder weg. Und so bleibt es auch noch für Jahre.
    Im März 1948 hat Jupp seinen Meisterbrief in der Tasche und kurz darauf eröffnet er im Vorort Fuhlenbrock eine Werkstatt mit Laden für Nähmaschinen, Schreibmaschinen und Fahrräder. Ady sucht sich keine Arbeit, sie lässt sich bereits am 15. Februar 1947 wegen »häuslicher Verhältnisse« für ein Jahr von der Arbeitspflicht befreien. Die Arbeitspflicht galt für alle, Männer wie Frauen, die keiner regelmäßigen Arbeit nachgingen. Die Arbeitspflicht in den drei Besatzungszonen begründete letztlich den Mythos der Trümmerfrauen, die Deutschland vermeintlich so freiwillig und munteraus den Ruinen herausschaufelten. Ady ließ sich befreien, um Jupp im Geschäft zu helfen. Auch in den späteren Jahren wird sie es so halten. Doch von einer geregelten Arbeit wird nie die Rede sein. Sie unterstützt Jupp, ist unersetzliche Ratgeberin, aber sie ist in erster Linie Ehefrau, und Jupp sorgt für das Auskommen der beiden.
    Der Anfang bleibt für sie schwer, Renée fragt mehr als einmal besorgt nach, wie die Geschäfte gehen. Allmählich bessert sich zwar die allgemeine Wirtschaftslage, die Deutschen haben wieder mehr Geld in der Tasche, doch bis in Jupps Geschäft reichen die Geldflüsse noch nicht. Bis in die späten 1950er-Jahre machen die Deutschen vor allem eines: Sparen. Vorrangig wird in allen Haushalten das angeschafft, was unbedingt nötig ist. Ein Fahrrad oder eine neue Nähmaschine, das sind Dinge, die noch nicht an der Reihe sind, dafür ist bei den meisten noch kein Geld da.
    Jupp, Ady und Maria in Köln, 1949.
    Anfang März 1948 schickt Renée wieder Stopfwolle, Safran und Schuheinlagen und entschuldigt sich, sie könne sonst nichts schicken, sie habe kein Geld übrig. Sie schreibt, die Leute sprächen so viel vom Krieg, sie habe genug davon. »Les gents sont si enggeistig.«
    9. 6. 48 Göteborg
    Liebe Ady,
    ich bedanke mich für deinen Brief, den ich gerade empfangen habe und da sehe ich, dass es euch beiden gut geht. Mir ging es nicht gut, ich hatte 39 Fieber und dieses Mal hatte ich Angst, dass es um mich jetzt geschehen wäre. Ady … und nun arbeitet Onkel Charley und fährt nicht mehr auf See und das ist jetzt viel besser, auch für mich, alles ist gut nun, er arbeitet jeden Tag, sodass er gutes Geld verdient. Ich sehe, dass Jupps Bruder tot ist. Er war zu jung, 41 Jahre, war er verheiratet? Es ist doch schlimm für all die Menschen mit dem Krieg. Und ist es immer noch nicht besser
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