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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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the ›British Censorship‹«. Der »British Censorship« prüfte die nach Deutschland adressierte Post deutscher Kriegsgefangener. Am 25. August 1945 begann die Arbeit der Behörde mit in besten Zeiten 1600 Angestellten. Hauptsächlich wurde die gesamte Post aus der Britischen Zone im besetzten Deutschland kontrolliert, mit dem Ziel, SS- und Gestapo-Mitglieder und Kollaborateure ausfindig zu machen. Ab März 1945 suchte der British Intelligence Service Männer und Frauen für die Zensurbehörde. Neben den Nationalsprachen Holländisch und Französisch sollten sie Englisch und Deutsch beherrschen. Die ersten Rekrutierten arbeiteten in Brügge, wo auch Renée ausgebildet wurde. »Ich war dann in Bonn für exakt zwei Jahre. Wir lebten in einem requirierten Areal, mit elektrischen Zäunen und einem von Soldaten bewachten Eingang.« Das so gesicherte Areal war die Ermekeil-Kaserne, die später zum Geburtsort der neuen westdeutschen Armee werden sollte. Hier überreichte zehn Jahre später der erste Verteidigungsminister der Bundesrepublik, Theodor Blank, den ersten 101 Soldaten der Bundeswehr ihre Ernennungsurkunden.
    Auszug des Briefes von Renée an Ady und Jupp vom 4. März 1948. Unten vermerkt sie, dass sie Stopfwolle mitschickt.
    Von Bonn aus nimmt Renée wieder Kontakt mit Ady auf. »Ich hatte Adys Adresse von ihrer Mutter, als ich in Bonn war.« Als Angestellte der Zensurbehörde durfte Renée keinen direkten Kontakt mit Deutschen unterhalten. »Manchmal konnten wir persönliche Päckchen aus Belgien bekommen. Also habe ich meine Adresse in Bonn Adys Mutter gegeben – sie sandte mir Päckchen und ich schrieb Ady. Wir hatten dort eine ganz kleine Dame, Frau Frömbgen. Und wir durften ihre Adresse benutzen, um das zu schicken. Ich hätte das nicht gedurft. Der Absender musste draufstehen und das durften wir nicht. Ich brachte die Päckchen also zu Mama Frömbgen und ihrem Mann, ich war mit ihnen befreundet, ich nannte sie Mama und Papa, und Ady oder Jupp kamen zwei-, dreimal mit dem Zug nach Bonn, sie abzuholen. Einmal war das ein ziemlich großes Paket, ein Mantel. Und das war zu groß zum Schicken, ne. Dann habe ich ihr geschrieben, dass das und das angekommen wäre und ob sie die Möglichkeit hätte, das abzuholen. Das war alles in der Britischen Zone, anderenfalls wäre es zu gefährlich für mich gewesen, ich hätte meinen Job verlieren können. Es war so schon kompliziert genug.«
    Ady und Jupp können die Hilfspakete gut gebrauchen, sie sind noch für geraume Zeit auf Hilfe aus Antwerpen angewiesen.
    Im September 1947 endete Renées Arbeit beim Censorship. »Als wir entlassen wurden, bekamen wir die Erlaubnis, zwei Wochen Urlaub zu machen, wo immer wir wollten – ausgenommen in der Russischen Zone. Ich fuhr für zwölf Tage zu meiner Bauersfamilie nach Immeldorf. Der Vater, den ich im Krieg nie gesehen habe, war Kriegsgefangener bei den Russen in Sibirien für viele Jahre. Er kam erst 1954 nach Hause, wenn ich mich nicht täusche.« Renée fand anschließend Arbeit bei Bell Telephone, was sie jedoch nicht mochte, »I lost my freedom«. Im Juli 1948 fand sie einen neuen Job bei einer Genossenschaft von Sämereibetrieben in Brüssel. Dort blieb sie bis in die siebziger Jahre.
    Renée ist in den nächsten Monaten und Jahren eine wichtige Freundin und Ansprechpartnerin im heimatlichen Belgien. Sie schickt Briefe, den ersten, den wir kennen, am 4. November 1947. Schnell spielt es sich ein, dass sie Kleinigkeiten in die Umschläge steckt, die es in Deutschland nicht zu kaufen gibt. »Es gab einmal ein Land, in dem gab es keine Zündhölzer«, beschrieb Erich Kästner in seinem ›Märchen von den kleinen Dingen‹ im Jahr 1948 die Lebensumstände nach dem Krieg. »Und keine Sicherheitsnadeln. Und keine Stecknadeln. Und keine Nähnadeln. Und kein Garn zum Stopfen. Und keine Seide und keinen Zwirn zum Nähen. Und kein Seifenpulver. Und kein Endchen Gummiband weit und breit.«
    Renée legt den Briefen so notwendige Dinge wie Schnürsenkel oder Nähfaden, ein bisschen Pfeffer oder Zigarettenpapier bei. Sie spricht oft von Paketen, die sie schicken will, aber nicht kann, weil ihr das Geld fehlt. Immer öfter von Kleidung, die sie selbst benötigt, die aber zu teuer ist und immer wieder von schlechtem Brot und Hunger. Weil man, gerade in den ersten Nachkriegsjahren, auch in Belgien »nichts anderes hörte als Hunger«. Am 17. November 47 stellt sie fest: »The post is going quite well, isn’t it?« Selbstverständlich
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