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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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besitzen sie schon, sie und Jupp? Nur das, was Jupps Familie entbehren und ihnen zur Verfügung stellen kann.
    Der Dramatiker Carl Zuckmayer reiste 1947 im Auftrag der Vereinigten Staaten von Amerika durch Deutschland und verfasste für das dortige Kriegsministerium seinen ›Deutschlandbericht‹. Darin stellte er lakonisch fest: »Der Herr ist für die Amis, die ihn sich leisten können. Die Iwans brauchen keinen, weil sie den Wodka anbeten. Die Deutschen sind zu arm für beides.«
    Ady und Jupp pachten einen Schrebergarten, bauen Gemüse an und legen sich Hühner zu. Auf Karte erhält man Trockenei in Pulverform, noch im gesamten Jahr 1947 bekam jeder Bottroper gerade mal zehn sogenannte »Komplett-Eier«, Natur-Eier in Schalenform. Im Jahr danach, zu Ostern 1948, wappnen sich die Bottroper Lebensmittelämter, um jeder Person wenigstens fünf Eier aushändigen zu können. Vier davon haben am Ende einen entscheidenden Schönheitsfehler – es sind Trockeneier aus fünfzig Gramm Eipulver. Doch die Eiform erlaubt zumindest, sie für die Kinder bemalen und verstecken zu können.
    Ady und Jupp 1947 und 1949.
    Es ist nicht nur die angespannte ökonomische Situation, die anstrengend ist. Die Deutschen ziehen sich nach dem verlorenen Krieg in ihre engsten Familien zurück, fast hat es den Anschein, als wollten sie sich in sich selbst verkriechen. Gegen die Trauer und den Druck der Vergangenheit ging man mit Aktionismus vor. Das Verlangen nach Normalität war übermächtig, alles, was nicht in die vermeintlich richtige Norm passte, wurde passend gemacht. Weil das vielen zu eng und zu trostlos war, haben in den Jahren nach 1945 etwa eine Million Menschen die westlichen Besatzungszonen verlassen. Darunter auch viele, die durch die Flucht ihrer Verhaftung entgingen.
    Ady hat sich entschlossen, in Deutschland bei Jupp zu bleiben. In diesen schweren Jahren wird sie ihre Entscheidung bisweilen bereut haben. Sicherlich sehnte sie sich in wehmütigen Momenten nach dem lockeren Leben im Vorkriegs-Antwerpen, leicht, beschwingt, bummeln durch belebte Straßen, Geschäfte und Cafés, angefüllt mit Leben und Lachen. Sie weiß, wie Antwerpen nun aussieht, Maria hat es ihr geschrieben.
    Ins Detail wird die Mutter bei ihren Schilderungen der Bombenmonate nicht gegangen sein, zu sehr beunruhigen mochte sie die Tochter in der Ferne nicht.
    Die Deutschen machen es Ady indes nicht leicht, sie zu mögen. Jeder ist sehr mit sich und seinen eigenen Geschichten beschäftigt, seinem eigenen Fortkommen. Jupps Familie nimmt Ady zwar auf, aber sie bleibt die Fremde.
    Wegen »häuslicher Verhältnisse« wird Adrianna Kotzian von der Arbeitsverpflichtung befreit. Am 25. Februar 1948 auf der Rückseite »bis auf Widerruf« verlängert.
    Nur mit Jupp ist sie glücklich. 1947 schaffen die beiden sich einen Fotoapparat an und knipsen sich gegenseitig. Sie gehen spazieren zu jeder Jahreszeit, erkunden die Umgebung, gehen im Sommer baden in einem nahen Bombentrichter, der zum Weiher vollgelaufen ist. Auf diesen ersten Fotos der Nachkriegsjahre wirken beide wie gelöst. Ady lacht, sie fühlt sich aufgehoben und angenommen. Sie sieht auf diesen Bildern so glücklich aus wie nie zuvor – und wie nie wieder zu einem späteren Zeitpunkt. Auch Jupp ist angekommen, Ady fotografiert ihn mit den Augen der verliebten Frau und Jupp posiert als schicker Mann.
    Ady beginnt Fotos an Maria zu schicken, kleine Bildchen, die sie auf der Rückseite beschriftet, wie am 30. 6. 47: »An Mami, die viel an mich denkt«, um sie teilhaben zu lassen an ihrem Alltag in Bottrop.Sieht man vom Einfluss der Deutschen auf Adys bisheriges Leben ab, ist das Moment, das ihr Leben durchzieht, die Liebe. Marias bedingungslose Liebe ersetzt Jupp durch die seine. Josef Kocyan war die Erfüllung ihrer Träume, Adys große Liebe. Er gab ihr die Sicherheit, die sie brauchte, das Gefühl, für sie da zu sein. In den zurückliegenden schwierigen Monaten hat sie erfahren, dass sie sich auf ihn verlassen kann, zu hundert Prozent. Jetzt lag der Alltag vor ihnen. Und der war nicht immer so, wie Ady ihn sich einmal vorgestellt hatte. Sie beschäftigt sich gern mit den vielen Neffen und Nichten in der Familie, mag Kinder. Sie lässt Jüppi am gut bewachten Telefon im Flur mit seiner Freundin telefonieren und passt auf, ob Onkel Jupp kommt. Der kann mit Kindern nichts anfangen, das erwähnt sein Neffe Albert. Die Zeiten, da Ady es für unmöglich hielt, Kinder in die Welt zu setzen, sind vorbei. 1946 ist
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