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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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dringend benötigte Kleidungsstücke. Sowohl Renée als auch Jupps Neffen erwähnten solche Hilfsaktionen von Maria.
    Ady 1946
    Während des Krieges wurden 55 Millionen Zivilisten getötet. Renée, Ady und auch Jupp haben großes Glück gehabt und überlebt. Und nicht nur das. Der scheußliche Krieg endete für Ady mit der Hochzeit mit ihrem geliebten Jupp. Was sollte ihr jetzt noch passieren.

Ein klein Püppchen
    »Bottrop hat wenig Gesicht und Geschichte, es verfügt weder über ein Zentrum noch über Tradition. Es gilt als der Wilde Westen des Ruhrgebiets«, schrieb die ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹ Anfang der 1990er-Jahre. Als Jupp und Ady im Herbst 1945 in Jupps Geburtsstadt ankommen, ist die Stadt vor allem eines: kaputt. Das Ruhrgebiet, die »Waffenschmiede des Deutschen Reiches«, war seit 1940 immer wieder Ziel alliierter Luftangriffe gewesen. Unter anderem sollte mit der Bombardierung der Hydrierwerke in Gelsenkirchen, Oberhausen und Bottrop die Treibstofflieferung der Deutschen unterbunden werden. Im Frühjahr 45 war Bottrop bereits vor dem Schließen des Ruhrkessels durch die alliierten Truppen besetzt worden. Am Karfreitag, dem 30. März 1945, verließen die letzten deutschen Soldaten die Stadt, noch am selben Tag rückte die 9. US-Armee ein. Die Zivilbevölkerung, seit Jahren unter erheblichem Beschuss und traumatisiert, war gerade erst aus der Deckung ins Leben zurückgekehrt. Die notdürftigen Wohnungen in Kellern und Ruinen sollten ihnen noch eine gute Weile erhalten bleiben. Jetzt war Bottrop unter britischer Verwaltung.
    Ein Bruder von Jupp nahm das frisch verheiratete Paar in seinem Haus auf. Die beiden konnten ein Zimmer im ersten Stock in der Steinbrinkstraße 42 beziehen, am nordwestlichen Stadtrand. Zu jener Zeit war das ein bäuerliches Viertel, heute rauscht in Hörweite die A2 vorbei, die West-Ost-Achse zwischen Ruhrgebiet und Berlin, damals erstreckten sich hinter den letzten Häusern Felder und Bombentrichter.
    Die Lebensumstände in der britischen Zone waren prekär. Da das Raubgut aus den besetzten Ländern ausblieb, war der Hunger mit aller Kraft dahin zurückgekehrt, von wo er ausgegangen war, nach Deutschland. Wieder stand ein Winter vor der Tür, die Nahrungsmittelzuteilung sollte in den folgenden Monaten zusammenbrechen, Brennmaterial fehlte, man beschaffte Holz und Kohlen, wo sie zu kriegen waren. In Bottrop sorgte eine schwedische Stiftung für die Versorgung der Kinder. Durch die »Schwedenspeisung« erhielten sie während des Winters täglich vier warme Suppen.
    Jupps Familie war nicht ausgebombt und die meisten noch am Leben. Die Familie war recht umfangreich, sie waren acht Kinder, vier Jungs, vier Mädchen, gewesen, Jupp war der Jüngste. Die Mutter, auch sie hieß Maria, geborene Kosiol, lebte noch, als Jupp zusammen mit Ady nach Hause kam. Der Vater Alois war bereits 1930 gestorben. Man traf sich in der Familie oft, sonntags bei einer der Schwestern, es wurde gemeinsam gefeiert, später, wie das so war, nur noch an den Geburtstagen.
    Jupp (hi. Mitte) und Ady (vorne li.) zusammen mit Jupps Brüdern, Mutter und Schwestern, 1948.
    Die Neffen von Jupp, die ich durch meine Zeitungsannonce kennenlernte, waren nicht mehr jung, zwischen Anfang siebzig und Mitte achtzig, erinnerten sich aber noch gut an ihren Onkel. Der eine heißt Jupp wie sein Onkel und wird Jüppi genannt, der andere Albert. Die Kocyans, das heißt einer schreibt sich Kotzyan, wohnten nur wenige Häuser voneinander entfernt in der Steinbrinkstraße, die Eltern des einen gaben Ady und Jupp Obdach. Dieser wollte in jungen Jahren nichts von seiner Familie wissen. Sein Vater sagte über ihn, er müsse mal einen Möbelwagen haben und rumfahren.So ähnlich ist es dann ja auch gekommen mit seinem Lkw im Krieg. Jupp war, anders als viele in der Gegend, nicht in den Bergbau gegangen, stattdessen hat er bei Henschel in Kassel »Dreher oder so was gelernt«, erinnert sich der ältere Neffe, Albert.
    In der Familie erzählen sie sich, Ady sei Sekretärin gewesen, sie habe bei der Wehrmacht gearbeitet und sei bei Henschel in Belgien eine der besten Kräfte gewesen, weil sie deutsch sprach. – Hat Jupp nie erzählt, dass er für Daimler-Benz gearbeitet hat? – Und Ady hätte zusammen mit Jupp auf der Heimreise eine Odyssee durchlebt über Süddeutschland, teilweise zu Fuß. Sie seien mit kleinem Wagen nach Bottrop gekommen und hätten »da hinten« auch geheiratet. Einer der Neffen ist noch heute verwundert, dass
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