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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman
Autoren: Ben Aaronovitch
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weniger gefährlich verlaufen wäre, wenn nicht Lesley, sondern ich Kaffeeholen gegangen wäre. Hätte das jedem passieren können oder war es mir vom Schicksal vorbestimmt? Wann immer ich mir solche Fragen stelle, hilft es mir, an einen weisen Spruch meines Vaters zu denken: »Verflixt, wer weiß schon, warum dies oder jenes passiert?«
     
    Covent Garden ist eine große Piazza mitten in London. Am Ostende des Platzes steht das Royal Opera House, in der Mitte eine überdachte Markthalle und am Westende befindet sich die kleine St. Paul’s Church. Der Platz war früher einmal der wichtigste Obst- und Gemüsemarkt Londons, doch wurde der Markt schon ungefähr zehn Jahre vor meiner Geburt an einen größeren Platz südlich der Themse verlegt. Covent Garden hat eine lange und vielfältige Geschichte, in der es hauptsächlich um Verbrechen, Prostitution und Theater ging, aber heute sind der Platz und die Markthalle Touristenattraktionen. St. Paul’s ist auch als »Schauspielerkirche« bekannt und ist nicht mit der gewaltigen St. Paul’s Cathedral zu verwechseln. Erbaut wurde die Kirche 1638 von Inigo Jones. Dass ich das alles weiß, hat einen einfachen Grund: Wenn man stundenlang im eiskalten Wind herumstehen muss, ist man für jede Art von Abwechslung dankbar, die man finden kann   – und an der Seitenwand der Kirche befand sich eine große und bemerkenswert ausführliche Informationstafel. Wussten Sie zum Beispiel, dass das erste amtlich registrierte Opfer der Pestepidemie von 1665, an deren Ende London in Flammen aufging, auf dem Friedhof von St. Paul’s begraben liegt? Das und noch viel mehr lernte ich schon in den ersten zehn Minuten, als ich Schutz vor dem eisigen Wind suchte.
    Das Mordermittlungsteam hatte den westlichen Teil der Piazza mit einem Band abgesperrt, das sich über die Einmündungen der King Street und der Henrietta Street sowie über die gesamte Vorderseite des Markthallengebäudes spannte. Ich bewachte das eine Ende vor der Kirche, wo mir die Säulenvorhalle ein wenig Schutz bot. Police Constable Lesley May, ebenso wie ich noch in der Probezeit, bewachte die Piazza-Seite, wo sie sich im Markteingang unterstellen konnte.
    Lesley war klein, blond und sehr attraktiv, selbst wenn sie eine Stichschutzweste trug. Wir hatten gemeinsam die Grundausbildung in Hendon durchlaufen und wurden dann für die Probezeit nach Westminster versetzt. Unsere Beziehung war rein beruflicher Natur, obwohl ich nicht selten eine gewisse Sehnsucht verspürte, ihr ein wenig an die Uniformwäsche zu gehen.
    Weil wir beide Polizeianwärter waren, hatte man uns einen erfahrenen Constable als Aufpasser zugeteilt   – der dieser verantwortungsvollen Aufgabe in einem durchgehend geöffneten Café im St. Martin’s Close nachging.
    Mein Handy klingelte. Ich brauchte eine Weile, bis ich es unter Schutzweste, Einsatzgürtel, Schlagstock, Handschellen, digitalem Funkgerät und der lästigen, aber glücklicherweise wasserdichten Warnweste herausgefischt hatte. Lesley meldete sich.
    »Ich hole mir einen Kaffee«, sagte sie. »Willst du auch einen?«
    Ich schaute zur Markthalle hinüber und sah sie winken.
    »Damit rettest du mir das Leben«, sagte ich, und schon lief sie in Richtung James Street davon.
    Sie war noch keine Minute weg, als ich in der Säulenvorhalleeine Gestalt wahrnahm. Ein klein gewachsener Mann in einem Anzug drückte sich im Schatten hinter einer der Säulen herum.
    Ich sprach ihn an, wie es die Vorschriften der Metropolitan Police vorsahen, mehr oder weniger.
    »He!«, rief ich, »was machen Sie da?«
    Die Gestalt fuhr herum und ich sah kurz ein bleiches, erschrecktes Gesicht im Dunkeln schimmern. Der Mann trug einen schäbigen, altmodischen Anzug mit Weste und Uhrenkette sowie einen reichlich lädierten Zylinder. Mit diesen Klamotten konnte er nur einer der Straßenkünstler sein, die eine Lizenz hatten, auf der Piazza aufzutreten. Für einen Auftritt schien es mir allerdings ein bisschen früh am Tag zu sein.
    »Kommt einmal hier rüber«, sagte er und winkte mir mit dem Zeigefinger.
    Ich vergewisserte mich, dass mein ausziehbarer Schlagstock griffbereit war, und ging hinüber. Wir Polizisten sollten die Bürger immer überragen, selbst dann, wenn sie uns tatsächlich nur mal helfen wollen, deshalb tragen wir klobige Schuhe und hohe Helme. Aber als ich mich dem Mann näherte, sah ich, dass er nicht nur klein, sondern ausgesprochen winzig war, höchstens einsfünfzig. Ich widerstand dem Impuls, in die Hocke zu
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