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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman
Autoren: Ben Aaronovitch
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gehen, um auf Augenhöhe mit ihm zu kommen.
    »Ich habe alles gesehen, Wachtmeister«, raunte mir der Mann zu. »Furchtbar war es.«
    In Hendon wird dir eingetrichtert, erst mal Name und Adresse aufzunehmen, bevor du irgendetwas unternimmst. Ich zog meinen Notizblock und Kuli heraus. »Darf ich zunächst einmal Ihren Namen notieren, Sir?«
    »Dürft Ihr natürlich. Mein Name ist Nicholas Wallpenny, aber fragt mich nicht, wie das buchstabiert wird, denn mit dem Schreiben habe ich es nicht so.«
    »Sind Sie Straßenkünstler?«, fragte ich weiter.
    »Könnte man sagen«, erwiderte Nicholas. »Auf jeden Fall waren meine Vorführungen bislang auf die Straße begrenzt. Obwohl ich in einer kalten Nacht wie dieser nicht abgeneigt wäre, meinen Unternehmungen eine gewisse Innerlichkeit zu verleihen. Wenn Ihr versteht, was ich meine, Wachtmeister.«
    Am Kragen seines Jacketts war ein Abzeichen befestigt: ein Zinnskelett, dargestellt mitten im Luftsprung oder Freudentanz. Das kam mir ein bisschen gruftig vor, besonders für einen zu kurz geratenen Cockney-Opa, aber London ist schließlich die bunt zusammengewürfelte Multikultihauptstadt der Welt. Also notierte ich:
Straßenkünstler
.
    »Und nun, Sir«, fuhr ich fort, »schildern Sie mir bitte kurz, was Sie gesehen haben.«
    »Mehr als genug, Wachtmeister.«
    »Sie waren also schon früher heute Morgen hier?« In den Kursen hatten meine Ausbilder immer betont, dass man einem Zeugen keinerlei Hinweise liefern dürfe. Die Informationen sollten stets nur in einer Richtung fließen.
    »Bin immer hier, des Morgens wie des Abends.« Nicholas hatte offenbar nicht die gleichen Kurse besucht wie ich.
    »Wenn Sie etwas beobachtet haben«, erklärte ich streng, »sollten Sie mit mir zum Polizeirevier kommen, damit wir Ihre Aussage aufnehmen können.«
    »Wäre ein bisschen schwierig«, meinte Nicholas. »Da ich tot bin.«
    Ich glaubte mich verhört zu haben. »Wenn Sie sich um Ihre Sicherheit sorgen   …«
    »Ich sorge mich um gar nichts mehr, Wachtmeister«, entgegnete er. »Alldieweil ich nämlich schon seit einhundertzwanzig Jahren tot bin.«
    »Wenn Sie tot sind«, fuhr es mir unwillkürlich heraus, »wie kommt es dann, dass wir miteinander sprechen können?«
    »Wahrscheinlich habt Ihr einen Schimmer vom Zweiten Gesicht abbekommen«, sagte Nicholas. »Bisschen was von der alten Eusapia Palladino vielleicht.« Er betrachtete mich genauer. »Oder eher von Eurem Vater? War Dockarbeiter, nicht wahr, Matrose oder so was, und hat Euch das Kraushaar und die dicken Lippen vererbt?«
    »Können Sie beweisen, dass Sie tot sind?«, fragte ich.
    »Wenn Euch daran liegt«, sagte er gleichmütig und trat aus dem Schatten der Säule.
    Er war transparent, ungefähr so wie ein Hologramm in einem Film. Dreidimensional, wirklich und wahrhaftig vorhanden, aber eben doch durchsichtig, verdammt noch mal. Ich konnte tatsächlich durch ihn hindurch das weiße Zelt sehen, das von der Spurensicherung als Schutz über dem Fundort der Leiche aufgestellt worden war.
    Okay, sagte ich mir, auch wenn du gerade mal kurz durchgeknallt bist, heißt das noch lange nicht, dass du deine Ausbildung als Polizist vergessen darfst.
    »Bitte schildern Sie mir, was Sie beobachtet haben«, sagte ich formell.
    »Tja, also, ich sah den ersten Gentleman, der wo ermordet wurde, von der James Street herunterkommen. Stattlicher Mann, machte große Schritte, militärischeHaltung, auf diese komische moderne Weise gekleidet. Hätte ihn als prächtig gewachsen bezeichnet, in meinen körperlichen Tagen.« Nicholas hielt inne, um kräftig auszuspucken. Nichts klatschte auf den Boden. »Dann kam da noch ein zweiter Herr, der wo den Mord ausführte, der spazierte also von der anderen Seite herauf, von der Henrietta Street her. Nicht so nett gekleidet. Trug eine blaue Arbeiterhose und Ölzeug wie ein Fischer. Genau dort gingen sie aneinander vorbei.« Nicholas wies auf eine Stelle, die ungefähr zehn Meter vom Kirchenportal entfernt war. »Schätze, sie kannten einander, weil sie sich zunickten. Blieben aber nicht auf ein Schwätzchen stehen oder so. War ja auch verständlich, nicht wahr, ist ja nun nicht gerade eine Nacht, in der man gerne draußen herumsteht.«
    »Sie gingen also aneinander vorbei?«, fragte ich, hauptsächlich deshalb, weil ich mit dem Schreiben nicht nachgekommen war, und weniger, um diesen Punkt weiter aufzuklären. »Und Sie hatten den Eindruck, dass sie einander kannten?«
    »Wie flüchtige Bekannte«, meinte
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