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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman
Autoren: Ben Aaronovitch
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Pfund den Wagen bewachen   – ich versprach ihm zehn, um ganz sicherzugehen, natürlich erst zahlbar bei meiner Rückkehr.
    Isis umarmte Beverley, die sich endlich überreden ließ, den Todesgriff um ihre Kosmetiktasche zu lockern, und führte sie durch das Tor und durch die dahinter liegenden Felder. Vater Themse hatte seinen »Thron« in der Nähe der Klosterruine unter einer uralten Eibe aufstellen lassen. Neben ihm standen seine Söhne in der ganzen Pracht und Herrlichkeit ihrer Donkeyjacken und Koteletten, darum herum ihre Frauen und Kinder. Alle blickten uns schweigend entgegen, als wäre Beverley eine widerwillige Witwe in einem Bollywood-Melodram. Der Thron selbst bestand aus altmodischen rechteckigen Heuballen von der Art, die, wie ich zufällig weiß, in der britischen Landwirtschaft nicht mehr üblich ist. Kunstvoll bestickte Pferdedecken waren darüber drapiert. Für den heutigen Anlass hatte man den Alten Mann des Flusses in seinen besten Anzug gesteckt und ihm Bart und Haare so lange gebürstet, bis sie nur noch ein kleines bisschen verwahrlost aussahen.
    Ich folgte Beverley und Isis, als sie vor den Thron traten. Gestern hatte ich den ganzen Tag lang mit Beverley geübt, aber trotzdem musste Isis es ihr jetzt vormachen. Isis knickste tief und mit gesenktem Kopf. Beverley tat es ihr mit kurzer Verzögerung nach. Der Alte Mann des Flusses fing meinen Blick auf. Er berührte langsam seine Brust mit der Hand und streckte dann den Arm mit nachunten gerichteter Handfläche aus   – der römische Gruß. Dann stieg er vom Thron, fasste Beverley an beiden Händen und zog sie hoch.
    Er hieß sie in einer Sprache willkommen, die ich nicht verstand, und küsste sie auf beide Wangen.
    Plötzlich war die Luft voll vom Duft der Apfelblüten und dem Geruch von Pferdeschweiß, Orangenlimo und alten Gartenschläuchen, staubigem Asphalt und lautem Kinderlachen. Alles war so überwältigend stark, dass ich überrascht einen Schritt zurücktrat. Ein sehniger Arm legte sich um meine Schultern und verhinderte, dass ich stolperte, und Oxley boxte mir freundschaftlich in die Seite, wobei durchaus auch ein paar Rippen hätten zu Bruch gehen können.
    »Hast du
das
eben gespürt, Peter?«, fragte er. »Das ist der Anfang von etwas, wenn ich mich nicht täusche.«
    »Der Anfang von was?«
    »Keine Ahnung. Aber der Sommer liegt definitiv in der Luft.«
    Beverley konnte ich im Gedränge der Gefolgsleute von Vater Themse nicht mehr sehen. Oxley zog mich von der Menge weg, um mich mit der anderen Hälfte unseres Geiseltauschs bekannt zu machen. Ash war ein junger Mann, ungefähr einen halben Kopf größer als ich, mit breiten Schultern, klarem Blick, edler Stirn und leerem Hirn.
    »Hast du deine Sachen beieinander?«, fragte ich ihn.
    Ash nickte und klopfte auf eine Tasche, die an seiner Schulter hing.
    Isis tauchte kurz aus der Menge auf, um mir einen schwesterlichen Kuss auf die Wange zu verabreichen und mir das Versprechen abzunehmen, sie einmal ins Theaterauszuführen. In diesem neuen, glorreichen Sommer waren solche Dinge nun plötzlich möglich geworden. Danach wäre ich eigentlich gegangen, aber Ashs Verwandte brauchten gut eine Stunde, um sich von ihm zu verabschieden, und deshalb war es fast dunkel, bis wir wegkamen. Als ich mit Ash zum Jaguar zurückging und mich kurz umblickte, sah ich, dass Vater Themses Leute Sturmlaternen an die Äste der alten Eibe hängten. Mindestens zwei Fiedeln spielten, und ich hörte ein klackendes Geräusch, von dem ich nur vermuten konnte, dass es sich um ein Waschbrett handelte. Gestalten sprangen und tanzten im gelben Licht der Laternen, und ich hörte die verführerische melancholische Musik, die bei jeder Party zu hören ist, zu der man selbst nicht eingeladen wurde. Ich war nicht ganz sicher, aber ich meinte Beverley unter den Tanzenden zu sehen, und es gab mir einen kleinen Stich.
    »Kann man in London auch tanzen gehen?«, erkundigte sich Ash. Er klang genauso nervös wie Beverley auf der Herfahrt.
    »Aber sicher.«
    Wir stiegen in den Wagen und machten uns über die A308 und die M25 auf den Rückweg.
    »Kann man in London auch was trinken gehen?«, fragte Ash und bewies damit ein feines Gespür für Prioritäten.
    »Warst du noch nie in London?«, fragte ich.
    »Nein. Ich war überhaupt noch nie in einer Stadt. Unser Dad steht nicht auf solche Dinge.«
    »Keine Angst, es ist im Grunde genauso wie hier auf dem Land«, sagte ich. »Nur eben mit mehr Leuten.«

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