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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende
Autoren: Karin Alvtegen
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für eine schlichte Tasse Kaffee in der Wienerkonditoriet reichte. Wie hätte sie ihnen begreiflich machen sollen, dass sie sich in regelmäßigen Abständen eine Nacht in einem richtigen Bett gönnte? Stets auf Kosten von jemandem, der es kaum merkte. Nein, sie war sich sicher, dass niemand dies verstehen würde. Niemand, der nicht am eigenen Leib erfahren hatte, wie das war.
    «Das ist hier keine Bibliothek. Wollen Sie die Zeitung nun haben oder nicht?»
    Der Mann hinter dem Kioskfenster wirkte gereizt. Sie antwortete ihm nicht, sondern steckte lediglich brav die Zeitung zurück.
    Es war kalt im Freien und sie hatte wirklich Halsschmerzen. Sie ging weiter in Richtung Hauptbahnhof. Sie brauchte auch Geld. Die nächste Rate würde erst in zwei Tagen in ihrem Postfach landen. Und vor Montag würde sie an das Geld nicht herankommen.
    Bei der Gepäckaufbewahrung im Bahnhof stand ein Wechselautomat, sie ging hin und drückte ein paar Mal auf die Scheinausgabe.
    «Was ist das denn nun?»
    Sie hatte laut und deutlich gesprochen, sodass niemandem in
    der Nähe ihre Gereiztheit entgehen konnte. Sie drückte noch mehrmals auf den Knopf, seufzte vernehmlich und schaute sich um. Ein Mann hinter der Gepäckaufbewahrungstheke sah sie an. Sie trat auf ihn zu.
    «Gibt es Probleme?», fragte er.
    «Der funktioniert nicht. Er hat meinen Hunderter eingezogen, aber es kam kein Wechselgeld heraus, und in acht Minuten geht mein Zug ...»
    Der Mann drückte auf eine Registrierkasse und deren Geldfach schoss heraus.
    «Der hat schon öfter Schwierigkeiten gemacht.»
    So ein Glück!
    Er zählte zehn Zehner ab und legte sie in ihre ausgestreckte Hand.
    «So. Jetzt schaffen Sie es noch.»
    Sie lächelte und steckte das Geld in ihre Handtasche.
    «Herzlichen Dank.»
    Der Schließfachschlüssel war zum Glück in ihrer Jackentasche und nicht in der im Grand zurückgelassenen Aktentasche.
    Nachdem sie ihren Rucksack geholt hatte, ging sie zur Damentoilette, und ein paar Minuten später trug sie Jeans und Anorak und wusste, was sie tun würde.
    Sie würde eine Nacht bei Johanssons verbringen.
    Auf dem Weg zur Kleingartenkolonie in Eriksdal kaufte sie sich eine Dose weiße Bohnen, Brot, zwei Äpfel, Cola und eine frische Tomate. In dem Moment, in dem sie die Eriksdalsgatan überquerte, trafen sie die ersten Regentropfen. Der Himmel war in den vergangenen Tagen bleigrau gewesen, und dieser Tag bildete keine Ausnahme.
    Die Häuschen auf dem Areal wirkten verlassen, und Sibylla war dankbar, dass der trübe Märztag offensichtlich keine Kleingartenbesitzer zur Gartenarbeit herausgelockt hatte. Vielleichtwar es ja noch zu früh. Auch wenn schon lange kein Schnee mehr lag, war der Boden wohl noch nicht frostfrei.
    Sie war noch nie so mitten am Tag hierher gekommen und es war eindeutig riskant, aber sie war müde und schlapp und brauchte ihre Ruhe. Sie war sich jetzt sicher, dass sie Fieber hatte.
    Der Schlüssel lag wie immer in der Ampel. Die Geranie, die im Sommer darin geprangt hatte, war weg, aber der Schlüssel hatte in seinem Versteck bleiben dürfen. An dieser Stelle hatte sie sich als Erstes umgetan, als sie dieses Häuschen zum ersten Mal aufgesucht hatte. Das war jetzt wohl fast fünf Jahre her.
    Auf dem Papier gehörte die Parzelle Kurt und Brigitte Johansson und die beiden hatten keine Ahnung, dass sie ihr Häuschen mit Sibylla teilten. Sie verließ es stets im gleichen Zustand, wie sie es vorgefunden hatte, und achtete peinlich darauf, nichts kaputtzumachen. Dass sie sich dieses Häuschen ausgesucht hatte, lag einerseits am Schlüssel, aber auch an den ungewöhnlich dicken Polstern für die Gartenmöbel, auf denen man ausgezeichnet schlief, und daran, dass Johanssons darüber hinaus so umsichtig waren, in ihrem kleinen Freizeittraum einen Petroleumofen mit Kochplatte zu verwahren. Sibylla kannte die Gewohnheiten der beiden. Sie waren vor allem im Sommer hier. Wenn ihr das Glück hold bliebe, würde sie für eine Weile ihre Ruhe haben.
    In dem Häuschen war es unbehaglich und feucht. Es hatte lediglich einen Raum von vielleicht zehn Quadratmetern, war aber trotzdem eines der größeren auf dem Areal. An der einen Wand standen ein Küchenschrank und ein kleines verzinktes Spülbecken. Sie öffnete den Unterschrank, um nachzusehen, ob der Eimer auf seinem Platz unter dem abgeschnittenen Abflussrohr stand.
    Am Fenster standen ein kleiner Tisch für zwei Personen, vondem der Lack abgeblättert war, und rechts und links davon zwei ungleiche
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