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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende
Autoren: Karin Alvtegen
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wenn es mir nicht gelänge. Um mich gegen Schmerz gefeit zu machen, versuchte sie mich daran zu gewöhnen, nicht viel zu erwarten.
    Doch wenn man sich bei allem, was man versucht, daraufgefasst macht, dass es misslingt, wird am Ende das Misslingen selbst zum Ziel.
    So kann ich nicht mehr leben. Nicht jetzt.
    Rune war alles, was ich mir je gewünscht hatte. Mein ganzes Leben hatte ich darauf gewartet, jemandem wie ihm zu begegnen, und dann war er plötzlich da. Er wurde für mich größer als das Leben selbst.
    So viele Male habe ich Dich gefragt, ob das der Grund war, ob ich deshalb bestraft werden sollte.
    War die Sünde des Fleisches so groß, dass Du, Herr, nicht darüber hinwegsehen und Dich an unserer Liebe freuen konntest? Du hast ihn mir genommen, aber Du hast ihn in Deinem Reich nie willkommen geheißen.
    Ich habe Dich gefragt, Gott, was getan werden muss, damit ihm vergeben werde.
    Denn wo ein Testament ist, da muss noch der Tod eintreten des, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament tritt erst in Kraft mit dem Tode; es hat noch nicht Kraft, wenn der noch lebt, der es gemacht hat. Daher ward auch der erste Bund nicht ohne Blut gestiftet. Denn nach dem Gesetz wird fast alles mit Blut gereinigt, und ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung.
    Ich danke Dir, Herr, dass Du mir bedeutet hast, was ich zu tun habe.

Sie wachte auf, als jemand heftig an die Tür klopfte. Hellwach sprang sie aus dem Bett und suchte ihre Kleider. Wie, zum Teufel, hatte sie bloß verschlafen können? Der Radiowecker zeigte Viertel vor neun. Die Frage war nun: Hatte Grundberg herausbekommen, dass er hereingelegt worden war, oder war er bloß mit einem ungewöhnlich drängenden Ständer aufgewacht?
    «Augenblick!»
    Sie eilte zur Toilette und raffte ihre Kleider zusammen.
    «Hallo ! Machen Sie auf! Ich möchte Ihnen gern ein paar Fragen stellen.»
    Mist. Das war nicht Grundberg, sondern eine Frau. Das musste eine vom Personal sein, die sie trotz ihrer neuen Perücke erkannt hatte.
    Mist. Mist. Mist.
    «Ich bin noch nicht angezogen.»
    Vor der Tür wurde es still. Sie eilte durchs Zimmer und sah aus dem Fenster. Auf diesem Weg käme sie unmöglich hinaus.
    «Hier ist die Polizei. Bitte beeilen Sie sich.»
    Die Polizei! So ein Mist!
    «Ich bin gleich fertig. Nur noch ein paar Minuten.»
    Sie legte das Ohr an die Tür und hörte Schritte, die sich entfernten. Direkt vor ihrer Nase war eine eingeschweißte Übersicht über die Notausgänge angebracht, und während sie in ihrem Rock die Sicherheitsnadel einhakte, studierte sie den Plan. Sie inspizierte ihre Zimmernummer und stellte fest, dass sie zwei Türen von der Feuertreppe entfernt war. Jacke und Handtasche riss sie an sich und horchte noch einmal mit dem
    Ohr an der Tür. Vorsichtig öffnete sie diese einen schmalen Spalt und sah hinaus. Leer. Ohne lange zu fackeln, machte sie die Tür auf, trat auf den Flur und schloss sie so leise wie möglich. Im nächsten Augenblick befand sie sich auf einer Hintertreppe und rannte hinunter, in der Hoffnung, dass dort eine Tür zur Straße war. Da fiel sie ihr ein. Die Aktentasche. Die jetzt noch immer auf Zimmer 312 stand. Sibylla machte abrupt Halt, zögerte aber nur ein paar Sekunden lang, bevor sie einsah, dass die Tasche verloren war. Ganz zu schweigen von der Perücke im Badezimmer. 740 Kronen beim Teufel. Eine Investition, von der sie gehofft hatte, dass sie ihr viele Nächte ungestörten Schlafes bescheren würde. Nicht einmal die Seife und die Shampoofläschchen hatte sie mitnehmen können.
    Unten angekommen, blieb sie vor einer Metalltür stehen, über der eine grüne Notausgangslampe leuchtete. Sie legte den Riegel um, öffnete die Tür vorsichtig einen Spalt weit und lugte hinaus. Zwanzig Meter entfernt war ein Streifenwagen geparkt, er war jedoch leer, und diese Tatsache gab ihr den nötigen Mut, auf die Straße hinauszutreten. Sie sah sich um und begriff, dass sie sich auf der Rückseite des Grand befand. Der Verkehr auf der Stallgatan stand still, und ohne einen allzu gestressten Eindruck zu machen, zwängte sie sich zwischen den Autos hindurch und ging dann über den Blasieholmstorg. An der Arsenalsgatan bog sie rechts ab, ging an Berns vorbei und weiter zur Hamngatan. Ihr schien niemand gefolgt zu sein, aber sicherheitshalber überquerte sie den Norrmalmstorg und bog in die Bibliotheksgatan ein. Sie verlangsamte ihren Schritt, und als sie an der Wienerkonditoriet vorbeikam, beschloss sie, hineinzugehen und ihre Gedanken
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