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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende
Autoren: Karin Alvtegen
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muss bestohlen worden sein!»
    «Na, na. Immer mit der Ruhe. Das kriegen wir schon hin.»
    Der Kellner brachte auf einem kleinen Silbertablett zwei Rechnungen, und Grundberg zückte eilends seine American-Ex- press-Karte.
    «Das geht auf mich.»
    Der Kellner sah sie an, um ihre Einwilligung zu erhalten, und sie nickte rasch. Er drehte sich um und ging.
    «Ich werde es zurückzahlen, sobald ich ...»
    «Das ist kein Problem. Das lösen wir schon.»
    Sie barg wieder das Gesicht in der Hand.
    «Und ich hatte doch meinen Hotelvoucher in der Brieftasche! Jetzt habe ich nicht einmal mehr ein Zimmer. Großer Gott!», schloss sie mit Nachdruck.
    Verzweifelt schüttelte sie den Kopf.
    «Lassen Sie mich das machen. Bleiben Sie hier sitzen, ich werde mit der Rezeption sprechen.»
    «Aber ich kann doch nicht verlangen, dass ...»
    «Selbstverständlich können Sie das. Wir regeln die Sache, sobald sich die Brieftasche wieder gefunden hat. Das hat keine Eile. Also, bleiben Sie jetzt hier sitzen, ich erledige das schon.»
    Er erhob sich und verließ den Raum in Richtung Rezeption.
    Sie nahm einen Schluck Wein.
    Zum Wohl!

\
    Im Aufzug nach oben und auf dem Weg bis zur Tür war sie überschwänglich dankbar. Er hatte zwei Gläser Whisky dabei, und vor ihrer Tür unternahm er einen letzten Versuch.
    «Sie haben sich das mit dem Schlummertrunk nicht noch einmal überlegt?»
    Diesmal zwinkerte er ihr sogar mit einem Auge zu.
    «Es tut mir Leid, aber ich muss ein paar Telefonate führen und meine Konten sperren lassen.»
    Es sah so aus, als ob dies selbst für ihn ein plausibler Grund sei, denn er reichte ihr ein Whiskyglas und seufzte.
    «Schade.»
    «Ein andermal vielleicht.»
    Er schnaubte leicht und holte ihre Schlüsselkarte hervor. Sie nahm sie ihm aus der Hand.
    «Ich bin wirklich dankbar für all die Hilfe.»
    Sie wollte jetzt ins Zimmer und steckte die Karte in den Schlitz unter der Klinke. Er legte seine Hand auf die ihre.
    «Ich wohne in vierhundertsieben. Sie wissen, wo Sie mich finden, falls Sie es sich doch noch überlegen. Ich habe einen leichten Schlaf.»
    Er ließ nicht locker. Mit aller Selbstkontrolle, die sie aufbieten konnte, entzog sie ihm langsam ihre Hand.
    «Ich werde daran denken.»
    Die Karre funktionierte nicht. Aus dem Schließmechanismus ließ sich kein erlösendes Klicken vernehmen. Sie versuchte es noch einmal.
    «Hoppla», sagte er lächelnd. «Sie haben bestimmt meinen Schlüssel erwischt. Wer weiß, vielleicht ist das ja ein Omen?»
    Sie wandte sich um und sah ihn an. Er hielt ihre Schlüsselkarte zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe. Jetzt würde sie bald ungemütlich werden, das spürte sie deutlich. Sie nahm ihm das Plastikkärtchen aus der Hand und steckte ihm das andere in die Jackentasche. Die Tür ging beim ersten Versuch auf.
    «Gute Nacht.»
    Dann trat sie ins Zimmer und schickte sich an, die Tür zu schließen. Er stand da wie ein Kind, dem man sein Spielzeug weggenommen hatte. Er war immerhin recht anständig gewesen, das musste sie wirklich zugeben. Ein Zuckerchen konnte sie ihm also doch anbieten. Sie senkte die Stimme.
    «Ich melde mich, wenn ich mich gar zu einsam fühlen sollte.»
    Sein Gesicht erstrahlte wie die Frühlingssonne, und mit diesem Anblick vor den Augen schloss sie die Tür und verriegelte sie von innen.
    Have a nice life.
    Als sie die Wasserhähne an der Badewanne voll aufgedreht hatte, konnte sie keine Sekunde mehr damit warten, sich die Perücke vom Kopf zu reißen. Ihr juckte die Kopfhaut, und sie beugte sich vor und vergrub die Nägel in den Haaren. Nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Das Leben hatte sie schon ziemlich mitgenommen. Sie war erst zweiunddreißig, aber sie hätte sogar selbst rund zehn
    Jahre daraufgelegt, wenn sie ihr Alter hätte schätzen müssen. Die Enttäuschungen des Lebens hatten ihr rings um die Augen ein feinmaschiges Netz von Fältchen eingeritzt, aber sie sah noch immer gut aus. Jedenfalls gut genug, um Männer wie Jörgen Grundberg zu verführen, und mehr wollte sie ja gar nicht.
    Die Badewanne war voll, und als sie in das heiße Wasser eintauchte, schwappte es auf den Fußboden. Sie streckte sich über den Rand, um das Kostüm zu retten, das sie einfach auf die Badematte geworfen hatte, doch damit löste sie eine Wellenbewegung aus, die genau den entgegengesetzten Effekt hatte. Es würde auf dem Handtuchgestell trocknen müssen.
    Sie lehnte sich genüsslich zurück. So etwas hier gab
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