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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende
Autoren: Karin Alvtegen
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auskommen.
    «Ich habe sie nicht da reingetan», sagte sie schnell.
    «Sie können jetzt ganz beruhigt sein, Sibylla», sagte der Mann mit Namen Per-Olof. «Wir wissen, dass Sie es nicht waren.»
    Sibylla wagte nicht zu glauben, dass das, was sie hörte, wahr sein sollte. Es konnte nicht wahr sein. Nicht jetzt, wo sie sich mit ihrem Schicksal beinahe ausgesöhnt hatte.
    «Er hat gestanden», fuhr Per-Olof fort. «Als wir die Einmachgläser im Kühlschrank fanden, brach er zusammen. Er hätte sie beim Grab vergraben wollen.»
    Es wurde still in dem Raum. Sibylla versuchte ihr Bestes, sich der neuen Situation anzupassen, aber dazu war sie viel zu erschöpft.
    «Das Beste wäre gewesen, wenn Sie sich ein bisschen eher zu erkennen gegeben hätten. Dann hätten wir uns all das erspart.»
    Patriks Mutter war es wieder, die sprach. Sibylla war klar, worauf sie anspielte. Sie konnte die Schelte, die Patrik bekommen hatte, nahezu hören.
    «Sie hätten mir nicht geglaubt», sagte sie leise. «Oder wie?»
    Keiner von ihnen gab eine Antwort darauf.
    «Aber Patrik hat mir geglaubt... Er ist bestimmt der Einzige, der mir geglaubt hat. Jemals.»
    Lange Zeit war es still.
    «Na denn», sagte Per-Olof schließlich. «Sie sind frei, Sie können gehen. Was werden Sie jetzt machen?»
    Sibylla zuckte die Schultern.
    «Ich weiß es», sagte Bergström und verließ seinen Platz an der Wand. «Wir werden nach Vetlanda fahren und uns ein wenig mit Ihrer Mutter unterhalten.»
    Sibylla schüttelte den Kopf.
    «Nein. Ich nicht.»
    « Sibylla. Ich glaube nicht so recht, dass Ihnen die Sache wirklich klar ist.»
    «Ich möchte dreihunderttausend haben. Mehr brauche ich nicht.»
    Bergström lächelte nachsichtig.
    «Es geht um mehrere Millionen.»
    Sie sah ihn an, und als sich ihre Blicke begegneten, wurde ihm offensichtlich klar, dass sie wirklich meinte, was sie sagte.
    «Sie können sie doch nicht so davonkommen lassen!», fuhr er fort. «Das ist ein ganzes Vermögen.»
    Sibylla dachte ein Weilchen nach. Was sollte sie denn damit?
    « Dann siebenhundert. Den Rest, können Sie ihr ausrichten, kann sie nehmen und sich in den Arsch stecken.»
    Der Türöffner summte, noch bevor sie die Hand von der Klingel nehmen konnte. Ob er wohl immer daneben stand?
    Wie beim vorigen Mal hatte er die Tür geöffnet und gewartet, als sie die Treppen heraufkam. Keiner von ihnen sagte etwas, bevor sie im Flur war und er die Tür hinter ihnen zugemacht hatte.
    «Innerhalb einer knappen Woche von der berüchtigten Ritualmörderin zur umjubelten Heldin. Das macht Eindruck!»
    Sie ging ins Zimmer und trat an die Computer. Diesmal hielt er sie nicht zurück.
    «Hast du ihn gefunden?»
    Er nickte.
    « Fünftausend diesmal, hast du gesagt?» Sie steckte die Hand in die Jackentasche, zog die Scheine heraus und legte sie auf die Tastatur. Er zog ein weißes Kuvert aus der Gesäßtasche und hielt es ihr hin. «Ist das deiner?»
    Sie sah ihn an. Nahm das Kuvert und ging wieder in den Flur. «Nun, man ist halt ein bisschen neugierig», fuhr er fort. Ohne noch etwas zu sagen, ging sie ins Treppenhaus hinaus und schloss die Tür hinter sich. Da erst merkte sie, dass sie zitterte. Als sie ein Stockwerk tiefer war, musste sie sich setzen.
    Sie betrachtete das Kuvert, und ihr klopfte heftig das Herz in der Brust.
    Ein weißes Kuvert mit der Antwort auf vierzehn Jahre Ungewissheit.
    Wie hieß er? Wo wohnte er? Wer war er geworden? Jetzt konnte sie es endlich erfahren.
    In zwei Stunden ging der Bus.
    Die Bezahlung war bereits geregelt und die Kaufdokumente waren unterschrieben. Gunvor Strömberg würde sie am Busbahnhof abholen und ihr die Schlüssel aushändigen.
    Einfach Ruhe. Seelenfrieden.
    Und dann dieses weiße Kuvert mit dem Namen desjenigen, der immer gefehlt hatte.
    Der ihr auf immer fehlen würde.
    Wozu sollte das eigentlich gut sein? Es war doch schon alles zu spät, seit vierzehn Jahren war es schon zu spät. Für wen tat sie das denn? Für ihn? Oder für sich selbst?
    Sie stand auf, verwirrt über ihren unerwarteten Scharfblick.
    Mit welchem Recht würde sie nach vierzehn Jahren in sein Leben trampeln? Was würde ihm das bringen? Sie bekäme ihre Neugier gestillt, aber war er ihr das wirklich schuldig?
    Er trauerte nicht. Warum wollte sie ihm dann etwas von ihrer Trauer abgeben?
    Wenn sie ihm etwas schuldig war, dann dies, dass sie ihre Trauer selber trug.
    Direkt vor ihr ein Müllschlucker. Ein Loch in der Wand, in das die Leute ihren Müll schmeißen konnten. Eine
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