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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende
Autoren: Karin Alvtegen
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Essen zu stürzen. Sie schnitt von dem Filet einen kleinen Happen ab, den sie dann sorgfältig zerkaute. Er scharrte mit dem Messer den letzten Rest Sauce auf und zog es ungeniert zwischen den Lippen hindurch.
    «Das ist wirklich gut», sagte sie. «Herzlichen Dank.»
    «You're welcome», erwiderte er lächelnd und versuchte ein Rülpsen in der Serviette zu verbergen.
    Er schob seinen Teller beiseite, zog eine weiße Arzneipackung aus der Tasche und öffnete sie. Er drückte sich eine längliche Kapsel in die Hand und spülte sie mit einem Schluck Wein hinunter.
    «Swedish Laval Separator. Das hört sich nach etwas an.»
    Er steckte die Schachtel wieder in die Tasche. Sie aß weiter und zuckte nur leicht die Schultern. Diese Phase war riskant.
    «Und Sie? Was machen Sie?»
    Dass das doch jedes Mal funktionierte! Als ob alle Männer in teuren Anzügen Klone desselben Urvaters wären. Sobald ein Mann auf der Karriereleiter die Gelegenheit bekam, über seine Erfolge zu sprechen, vergaß er alles, was ihn in den Minuten kurz davor vielleicht noch hätte interessieren können.
    «Importbranche. Vor allem Elektronik. Ich spüre neue Dinge auf, an die ich glaube, und lasse sie in Lettland und Litauen herstellen. Sie wissen, dass die Herstellungskosten nur ein Drittel so hoch sind, wenn man ...»
    Sie genoss das Essen. Er plapperte weiter über seine geniale Geschäftsidee, sie sah ihn manchmal an und nickte interessiert, ihr Inneres aber war von Knoblauch und Rosmarin erfüllt.
    Als ihr Teller leer war, merkte sie, dass er schwieg, und sie sah auf. Er betrachtete sie. Es war höchste Zeit, Phase zwei einzuleiten. Ihr Weinglas war noch halb voll, aber das ließ sich nicht ändern.
    «Es war wirklich köstlich. Herzlichen Dank.»
    «Sie waren wohl doch ein bisschen hungrig.»
    Sie legte das Besteck neben Teller, so wie es sich gehörte. Jedenfalls eine Person am Tisch hatte gelernt, wie man eine Mahlzeit formell beendete.
    Er machte einen lächerlich zufriedenen Eindruck.
    «Im Allgemeinen kann ich erraten, was eine Frau braucht», sagte er lächelnd.
    Sie fragte sich, ob das auf seine Frau auch zutreffe.
    «Ich möchte mich gern für das gute Essen und die nette Gesellschaft bedanken, aber für mich wird es jetzt Zeit, mich zurückzuziehen.»
    Sie legte ihre Serviette zusammen.
    «Kann ich Sie nicht noch mit einem kleinen Schlummertrunk auf dem Zimmer locken?»
    Über dem Rand des Weinglases begegnete sein Blick dem ihren.
    «Vielen Dank. Aber ich habe morgen einen langen Tag vor mir.»
    Noch bevor er sie zurückhalten konnte, winkte sie den Kellner heran, der sofort kam.
    «Kann ich bitte die Rechnung bekommen?», fragte sie.
    Der Kellner nickte höflich und begann den Tisch abzuräumen. Er warf einen Blick auf Grundbergs Messer und Gabel, die über Kreuz auf dem Teller lagen.
    «Sind Sie fertig?»
    Der nahezu unmerklich ironische Ton zwang sie, ein Lächeln zu verbergen, während: Grundberg selbst nur leicht nickte, er hatte die Spitze gar nicht bemerkt.
    «Lassen Sie mich das machen », sagte er. «Das war doch so vereinbart.»
    Er versuchte seine Hand auf die ihre zu legen, aber sie konnte sie rechtzeitig zurückziehen.
    «Den Wein bezahle ich selbst.»
    Sie nahm ihre Handtasche, die an der Rückenlehne hing, aber er ließ nicht locker.
    «Nein. Keine Diskussionen.» m
    «Das entscheide ich nun wirklich selbst.»
    Der Kellner ging. Grundberg lächelte sie an. Er nervte sie allmählich und sie hatte abweisender geklungen als beabsichtigt. Noch durfte sie sein Interesse nicht dämpfen, und deshalb erwi- derte sie sein Lächeln. Sie hatte ihre Handtasche auf dem Schoß stehen und öffnete sie, um ihre Brieftasche herauszunehmen. Die beiden Fächer waren schnell durchsucht.
    «Um Himmels willen!»
    «Was ist denn los?»
    «Meine Brieftasche ist weg!»
    Sie durchsuchte mit noch größerem Eifer die Tasche ein zweites Mal. Daraufhin barg sie ihr Gesicht in der linken Hand und seufzte tief.
    «Nun mal ganz ruhig, nicht wahr? Sind Sie sicher, dass Sie sie nicht in Ihrer Aktentasche haben?»
    Sie ließ sich, und vor allem ihn, von dieser neuen Hoffnung durchdringen, bevor sie rasch die Aktentasche auf den Schoß hob und öffnete. Er konnte nicht sehen, was in der Tasche war, und das war gut so, denn wenn er entdeckt hätte, dass der Inhalt von Caroline Fors' Aktentasche außer dem Kalender aus einer halben Fleischwurst und einem Taschenmesser bestand, hätte er sich vermutlich gewundert .
    «Nein, hier ist sie nicht. Himmel, ich
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