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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos
Autoren: Michael Peinkofer
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Entrüstung. »Die Gründe dafür dürften zumindest dem Gentleman aus Cambridge wohlbekannt sein. Dennoch bin ich bei einem Meister des Fachs in die Lehre gegangen, der mich wohl unterwiesen hat – nicht anders als Sie, Dr. Hingis.«
    »Das lässt sich wohl kaum vergleichen.« Hingis lachte höhnisch auf. »Mein Lehrer hat, wie alle hier wissen, die Mauern Trojas wiederentdeckt, vor denen schon die Helden der homerischen Epen gefochten haben. Er hat einen Mythos aus den Nebeln der Geschichte gehoben und Wirklichkeit werden lassen – von einer solchen Entdeckung kann Ihr Vater doch nur träumen.«
    »Sie ist ihm bislang verwehrt geblieben, das ist wahr«, räumte Sarah ein. Die Tatsache, dass Gardiner Kincaid dem Geheimnis von Troja ebenfalls auf der Spur gewesen, Schliemann ihm jedoch zuvorgekommen war, ließ sie unerwähnt – Hingis hätte es nur gegen sie verwendet. »Dafür«, fuhr sie fort, »hat er sich in vielen anderen Bereichen um die Geschichtsforschung im Allgemeinen und die Archäologie im Besonderen verdient gemacht und gilt als anerkannte Kapazität.«
    »Wenn das so ist, warum ist er dann nicht hier?«, wandte Hingis mit überlegenem Grinsen ein. »Wieso schickt ein respektabler Gelehrter vom Schlage Lord Kincaids seine Tochter zu einer so wichtigen Zusammenkunft wie dieser?«
    »Weil er verhindert ist«, entgegnete Sarah und versuchte, ihr eigenes Unwissen über den Aufenthaltsort ihres Vaters hinter einer entschlossenen Miene zu verbergen.
    »Verhindert? Inwiefern?«
    »Mein Vater befindet sich auf einer archäologischen Mission, über deren Details ich Ihnen allerdings nichts verraten darf.«
    »Dürfen Sie es nicht? Oder können Sie es nicht?« Hingis’ Grinsen wurde immer breiter. Mit dem Gespür eines Aasfressers, der über seiner Beute kreist, tastete er sich an Sarahs wunden Punkt heran.
    »Ich darf es Ihnen nicht sagen, bedaure«, erwiderte diese kühl, aber offenbar nicht überzeugend genug.
    »Ich glaube Ihnen nicht«, erklärte der Schweizer in seinem geschliffenen Französisch, das anders als Sarahs frei von jedem Akzent war. »Ich denke, Sie wissen nicht, wo sich Lord Kincaid tatsächlich aufhält, was wiederum bedeutet, dass er als unentschuldigt gilt.«
    »Was?« Sarah horchte auf. »Aber …«
    »Laut den Statuten des Forschungskreises hat jeder Gelehrte, der dem Symposion aus welchen Gründen auch immer fernbleibt, sich unter Angabe seines gegenwärtigen Aufenthaltsortes zu entschuldigen. Andernfalls droht ihm der Ausschluss aus dem Kreis.«
    »Das könnte Ihnen so passen«, ereiferte sich Sarah, die in diesem Moment nicht anders konnte, als ihrer ungestümen Natur zu folgen. »Jeder hier weiß, dass mein Vater und Sie in wissenschaftlichen Belangen erbitterte Gegner sind, Doktor. Sie tun das nur, um ihn in Misskredit zu bringen und …«
    »Ich bitte Sie!« Hingis brachte es fertig, gleichzeitig pikiert und amüsiert zu klingen. »Wollen Sie mir ernstlich unterstellen, ich würde diese ehrwürdige Einrichtung dazu missbrauchen, um persönliche Fehden auszutragen?« Er schüttelte verständnislos den Kopf, und nicht wenige der Anwesenden folgten seinem Beispiel.
    »Natürlich nicht«, entgegnete Sarah bissig, die nicht wusste, was sie darauf noch erwidern sollte. Sie kam sich in diesem Augenblick unendlich dumm vor. Hingis hatte sie vorgeführt, und sie hatte es noch nicht einmal bemerkt. Statt souverän aufzutreten, wie es ihre Absicht gewesen war, hatte sie durch ihre Unbeherrschtheit und ihre Art, die Dinge offen auszusprechen, nicht nur sich selbst bloßgestellt, sondern auch ihren Vater. Hingis hatte keine Gelegenheit ausgelassen, Gardiner Kincaids Ruf als seriöser Wissenschaftler zu untergraben – und Sarah hatte ihm sogar noch zugearbeitet …
    »Ich denke, wir haben genug gehört, Lady Kincaid«, sagte Dekanatssprecher Guillaume. »Die Herren sehen sich in ausreichendem Maße informiert, um eine Entscheidung treffen zu können.«
    »Eine Entscheidung? In welcher Sache?«
    »Wie Dr. Hingis schon ankündigte, wird es darum gehen, ob Professor Kincaid noch weiterhin als Mitglied dieses Kreises zu gelten hat. Nicht genug damit, dass er es versäumt hat, uns über seine laufende Grabung zu unterrichten, hat er es auch nicht für nötig befunden, uns über seinen derzeitigen Aufenthalt in Kenntnis zu setzen. Dass die Statuten in solch gravierender Weise missachtet werden, kann das Gremium nicht ungestraft hinnehmen.«
    »A-aber ich bin doch hier«, wandte Sarah stammelnd ein.
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