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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos
Autoren: Michael Peinkofer
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Die Tatsache, dass er seine rechte Hand verloren hatte, blieb jedoch bestehen und würde ihn den Rest seines Lebens begleiten.
    »Du Gard sagte, Sie wünschten mich zu sprechen?«
    »In der Tat.« Sarah nickte. »Ich möchte Ihnen danken, Doktor, für alles, was Sie für meinen Vater, für die Expedition und vor allem auch für mich getan haben.«
    Hingis lachte leise, aber es lag weder Spott noch Hohn darin. »Ehrlich gesagt, habe ich nicht geglaubt, dass es einmal so weit kommen würde. Ich habe Menschen, die sich für andere einsetzen und dabei selbst Schaden davontragen, stets für Dummköpfe gehalten.«
    »Vermutlich sind sie das auch«, gestand Sarah mit mattem Lächeln ein. »Nichtsdestotrotz verdanke ich Ihnen mein Leben und stehe damit tief in Ihrer Schuld. Was auch immer Sie aus meinem Besitz haben möchten – es gehört Ihnen.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte er lauernd.
    »Allerdings.«
    »Noch vor ein paar Tagen«, erwiderte der Schweizer gelassen, »hätte ich Ihnen vermutlich eine ganze Liste von Dingen aufgezählt. Geld, Privilegien, Bücher aus der Bibliothek Ihres Vaters. Ich habe mein ganzes Leben lang nicht eine Gefälligkeit geleistet, ohne eine Entschädigung dafür zu verlangen.«
    »Und heute?«, fragte Sarah.
    »Will ich nichts von alldem haben.«
    »Nein?« Sie hob die Brauen. »Warum nicht?«
    »Weil, Lady Kincaid, wie schwer der Verlust meiner Hand auch immer wiegen mag, er in keiner Weise mit dem zu vergleichen ist, was Sie erlitten haben. Ich hatte bislang noch keine Gelegenheit, Ihnen mein Bedauern über den Tod Ihres Vaters auszusprechen, was ich nun mit allem gebührenden Respekt tun möchte. Ich habe Gardiner Kincaid stets nur als Konkurrenten kennen gelernt, als Feind, den ich glaubte, bekämpfen zu müssen. Das war ein Irrtum, wie ich nun weiß. Ihr Vater war ein Ehrenmann, Lady Kincaid, und er hat mir das Leben gerettet, so wie ich das Ihre. Sie schulden mir also nicht das Geringste.«
    »Ich … danke Ihnen.«
    »Dort unten in der Tiefe mag ich etwas verloren haben, aber ich habe auch etwas wiedergewonnen, das ich längst verloren glaubte, nämlich Selbstachtung und Stolz. Wissen Sie, welche Rolle ich bei der Entdeckung Trojas durch Schliemann spielte?«
    »Welche?«, verlangte Sarah zu wissen.
    »Keine. Zwar standen wir in Kontakt, und er hielt mich über den Fortgang seiner Grabung auf dem Laufenden, im entscheidenden Augenblick war ich jedoch nicht an Ort und Stelle.«
    »Aber ich dachte, Sie wären sein Assistent gewesen …«
    »Ein Gefallen, den der gute Heinrich mir noch schuldete«, erklärte Hingis verlegen. »Ich war nicht besonders stolz darauf, aber von diesem Tag an öffneten sich für mich Türen, die mir ansonsten verschlossen geblieben wären. Über Nacht war ich ein geachtetes Mitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft, und man gewährte mir Zutritt zu höchsten Kreisen. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass ich Ihnen an der Sorbonne so feindselig begegnet bin …«
    »Nun«, vermutete Sarah, »das dürfte wohl vorrangig damit zusammenhängen, dass ich eine Frau bin …«
    »Durchaus nicht.« Hingis schüttelte den Kopf. »Ich habe Sie so verabscheut, weil Sie mich an das erinnerten, was ich selbst einst gewesen bin: jemand, der nichts vorzuweisen hatte und dennoch respektiert und gehört werden wollte …«
    »Ich verstehe«, sagte Sarah.
    »… mit dem Unterschied, dass Sie über etwas verfügten, das ich wohl niemals besitzen werde«, fuhr Hingis fort, »nämlich jene Mischung aus Scharfsinn und Unerschrockenheit, die für unsere Wissenschaft unabdingbar ist. Aber ich werde diesen bedauerlichen Zustand beenden.«
    »Welchen Zustand?«
    »Auch Sie werden in Zukunft ein geachtetes Mitglied der wissenschaftlichen Gemeinschaft sein, Lady Kincaid. Unmittelbar nach meiner Rückkehr nach Paris werde ich Ihre Ehrenmitgliedschaft im archäologischen Forschungskreis beantragen. Da es im Gremium einige Professoren gibt, die mir zu Dank verpflichtet sind, bin ich zuversichtlich, dass …«
    »Nein danke«, sagte Sarah bestimmt.
    »Pardon?«
    »Ich weiß Ihre Bemühungen sehr zu schätzen, Doktor, und es ehrt Sie, dass Sie mir helfen wollen, vor allem, da Sie schon mehr für mich getan haben, als ich jemals wiedergutmachen könnte. Aber ich lege keinen Wert mehr darauf, an Symposien teilzunehmen und von sogenannten Kapazitäten anerkannt zu werden, die ihr Lebtag nichts anderes getan haben, als hinter Schreibtischen zu sitzen und dabei langsam zu
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