Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
verstehen?«
    »Oui.«
    »Ich fühle mich allein«, erwiderte sie und kämpfte gegen die Tränen an, die ihr erneut in die Augen treten wollten. »Und mir ist kalt. Unendlich kalt …«
    Er trat auf sie zu und schloss sie tröstend in seine Arme, aber er tat es weder wie ein Liebhaber noch wie ein Freund. Sarah merkte, wie er sich unter ihrer Berührung verkrampfte, und wich von ihm zurück.
    »Was ist?«, fragte sie.
    »Sarah, chérie …« Er blickte verlegen zu Boden. »Ich muss dir etwas sagen. Etwas, das dich zweifellos verletzen wird, aber ich möchte, dass du die Wahrheit erfährst.«
    »Die Wahrheit? Worüber?«
    »Wahrscheinlich hast du es längst selbst bemerkt, aber für den Fall, dass es nicht so sein sollte, möchte ich nur sichergehen, dass du weißt, dass …«
    »Maurice, welche Wahrheit?«, hakte Sarah energisch nach.
    »Die Wahrheit über uns«, eröffnete er. »Damals, in unserer ersten Nacht in Orléans …«
    »Ja?«
    »… habe ich dich betrogen«, fuhr er mit gepresster Stimme fort.
    »Inwiefern?«
    »Ich habe dich hypnotisiert«, gestand er leise.
    »Du hast was getan?«
    »Dich hypnotisiert«, wiederholte er. »Ich habe meine Fähigkeiten dazu benutzt, dich meinem Willen zu unterwerfen, um zu bekommen, wonach …« – er schaute auf und ließ seinen Blick begehrlich über ihren schlanken Körper wandern – »wonach ich mich gesehnt habe, seit wir uns das erste Mal begegnet sind.«
    »Soll das heißen …?« Sarah fühlte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. »Willst du mir damit zu verstehen geben, du hättest mich nur benutzt?«
    Er nickte kaum merklich.
    »Dass alles, was zwischen uns gewesen ist, nur eine Lüge war?«, fragte sie ungläubig weiter. »Ein Schmierentheater wie in deinem verdammten Varieté?«
    »Chérie.« Ein Lächeln, das wohl entwaffnen sollte, in Wirklichkeit jedoch nur unverschämt wirkte, huschte über sein noch immer ein wenig malträtiertes Gesicht. »Ich habe dir gesagt, dass du dich nicht in mich verlieben sollst, n’est-ce pas?«
    »Allerdings«, räumte Sarah ein.
    »Was meine Absichten betrifft, habe ich immer mit offenen Karten gespielt. Ich habe dir nichts versprochen und nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich die Nächte ebenso zu pflücken gedenke wie die Tage. So bin ich, Sarah. Das ist mein Leben.«
    »Auch das ist wahr.« Sie nickte, während sie zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit das Gefühl hatte, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so verlassen gefühlt, so getäuscht und so gedemütigt, und zur Trauer, die sie über den Tod ihres Vaters empfand, gesellte sich noch der Schmerz eines gebrochenen Herzens.
    »Alors, ich …«
    »Geh«, sagte sie nur.
    Er zögerte einen Moment, dann nickte er bedächtig und wandte sich zum Gehen. »Au revoir«, murmelte er dabei, öffnete das Schott und wollte hinaus. Noch auf der Schwelle schien er sich jedoch anders zu besinnen, denn er wandte sich noch einmal um, einen Ausdruck unausgesprochenen Bedauerns im Gesicht.
    »Chérie, ich …«
    »Nenne mich nie wieder so«, empfahl sie ihm mit vor Enttäuschung und mühsam beherrschter Wut bebender Stimme. »Und jetzt geh, und komm niemals wieder!«
    Er schaute sie betroffen an und sandte ihr zum Abschied einen undeutbaren Blick. Dann verließ er die Kabine.
    Verbittert blickte Sarah ihm hinterher, nicht ahnend, dass ihre Pfade sich schon bald wieder kreuzen würden.

EPILOG
    M ONTMARTRE , P ARIS
D REI W OCHEN SPÄTER
    Maurice du Gard saß nackt auf der Bettkante, das Gesicht in den Händen vergraben. Den Lärm, der durch das offene Fenster drang und vom nächtlichen Treiben in den Straßen kündete, nahm er nur am Rande wahr. Neben ihm, auf dem zerwühlten Laken, räkelte sich eine junge Frau, deren langes rotes Haar in üppigen Locken über das Kissen wallte. Sie war nackt wie er und schien sich ihrer Blöße nicht im Geringsten zu schämen.
    »Noch einmal?«, fragte sie.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf.
    »Soll ich noch bleiben?«
    »Nein. Deine Arbeit ist getan, dein Geld hast du bekommen. Jetzt verschwinde.«
    »Wie du willst.« Sie wälzte sich aus dem Bett, schlüpfte wieder in ihre Kleider, die rings auf dem Boden lagen. »Aber so spricht ein feiner Herr nicht mit einer Dame, lass dir das gesagt sein.«
    »Ich bin kein feiner Herr«, erwiderte er mit vom Alkohol rauer Stimme, »und du bist ganz sicher keine Dame, also erspar mir deine Heuchelei, und geh einfach.«
    »Wie du willst«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher