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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos
Autoren: Michael Peinkofer
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verstauben.«
    »Aber …«
    »Ich werde nach Yorkshire zurückkehren«, kündigte sie an. »Nachdem ich der Regierung Bericht erstattet und dafür gesorgt habe, dass meinem Vater auch in Abwesenheit seiner sterblichen Hülle ein Begräbnis mit allen Ehrungen zuteil wird, werde ich mich nach Kincaid Manor zurückziehen. Nach allem, was geschehen ist, gibt es viele Dinge, über die ich mir klar werden muss, und in der Abgeschiedenheit Yorkshires hoffe ich, die Ruhe dafür zu finden.«
    »Das … kann ich verstehen«, erklärte Hingis zögernd, »obgleich ich es zutiefst bedaure. Es wäre mir eine Freude gewesen, Sie an der Sorbonne einzuführen – wir beide hätten dort viel zu erzählen.«
    »Das bezweifle ich.« Sarah schürzte die Lippen. »Vergessen Sie nicht, Doktor, wir kehren mit leeren Händen zurück. Von unserer Expedition haben wir nichts zurückbehalten als unsere Erinnerung, und was glauben Sie, wie lange wird es dauern, bis man uns der Lüge und der Fälschung von Fakten bezichtigt? Ehrgeizige Doktoranden werden auftreten und uns zum wissenschaftlichen Disput herausfordern, und da wir keine Beweise haben, wird man unsere Berichte ins Reich der Legenden verweisen und uns öffentlich bloßstellen.«
    »Ich weiß – schließlich bin ich selbst einst ein solch ehrgeiziger Doktorand gewesen.« Hingis rang sich ein Lächeln ab. »Dennoch könnten wir es wenigstens versuchen, oder?«
    »Kaum. Ich werde der britischen Regierung nur deshalb Bericht erstatten, weil ich es meinem Vater schuldig bin. Danach werde ich niemals wieder ein Wort über das verlieren, was in Alexandria geschehen ist.«
    »Gibt es eine Chance, Sie umzustimmen? Sicher nicht jetzt, aber vielleicht in einer Woche. Oder in einem Monat. Oder in …«
    Er unterbrach sich, als er das Kopfschütteln sah, mit dem sie ihm zu verstehen gab, dass sie dem Traum, ihrem Vater nachzueifern und ebenfalls Archäologin zu werden, entsagt hatte. Lag es an dem Schmerz, den sie empfand, an dem schrecklichen Verlust, den sie zu verkraften hatte? Oder steckten in Wahrheit noch andere Gründe dahinter? Hatten die Ereignisse von Alexandria an etwas gerührt, das Sarah Kincaid lieber in den Tiefen ihrer Seele vergraben wollte?
    Friedrich Hingis wusste es nicht, und der feuchte Glanz ihrer Augen verriet ihm, dass es taktlos gewesen wäre, danach zu fragen. »Ich respektiere Ihre Entscheidung, Lady Kincaid«, versicherte er stattdessen, »aber ich wünschte, sie wäre anders ausgefallen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Doktor – und bitte nennen Sie mich bei meinem Vornamen. Ich heiße Sarah.«
    »Friedrich«, erwiderte er. Er verbeugte sich lächelnd und wandte sich ab, worauf Sarah das Schott schließen wollte, um wieder mit ihren Gedanken allein zu sein. Sie kam jedoch nicht dazu, denn plötzlich stand Maurice du Gard vor ihrer Kabine.
    »Chérie, kann ich dich sprechen?«
    »Natürlich«, erwiderte sie seufzend und ließ ihn eintreten. Anders, als es seiner ansonsten so ungezwungenen Art entsprach, setzte du Gard sich nicht einfach, sondern blieb stehen. Seiner Miene war zu entnehmen, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
    »Du weichst mir aus«, stellte er unvermittelt fest.
    »Wie bitte?«
    »Du weißt, was ich meine. Ich sehe dich weder in der Zentrale noch zu den Mahlzeiten in der Messe. Capitaine Hulot hat mir gesagt, dass du dir die Mahlzeiten in deine Kabine bringen lässt.«
    »Das ist richtig.«
    »Pourquoi? Um mir nicht zu begegnen?«
    Sarah lächelte müde. »Du warst schon immer sehr von dir überzeugt, Maurice, aber nicht immer geht es um dich. Ich weiche keineswegs dir allein aus, sondern allen Menschen an Bord.«
    »Pourquoi?«, fragte er wieder.
    »Du weißt, wieso. Weil ich Zeit und Ruhe brauche.«
    »Um zu vergessen?«
    »Um zu verarbeiten«, verbesserte sie. »Es ist viel geschehen in Alexandria …«
    »Du machst dir Vorwürfe, nicht wahr? Du gibst dir die Schuld am Tod deines Vaters.«
    »Nun, ich …«
    »Das brauchst du nicht«, versicherte er schnell. »Was geschehen ist, ist geschehen, Sarah. Blicke nicht zurück, es würde dich nur zerstören.«
    »Und deshalb soll ich weitermachen wie bisher?«, fragte sie. »Einfach alles vergessen, was gewesen ist?«
    »Dein Vater würde es so wollen.
    »Bitte, Maurice.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht darüber sprechen. Irgendwann vielleicht, aber nicht jetzt. Verzeih, wenn ich dir ausgewichen bin, aber ich wusste einfach nicht, was ich denken und fühlen sollte. Kannst du das
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