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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verstohlen, wenn Kassandra behauptete, in ihrer Jugend Kentauren gesehen zu haben.
    Sie mußten vor Räuberbanden fliehen, sich freikaufen, all ihren Verstand und ihre Geschicklichkeit zu Hilfe nehmen, manchmal aber auch den Dolch, um einer Gefahr zu entrinnen. Sie hatten gefroren und gehungert - manchmal konnte man nicht einmal für Gold etwas zu essen kaufen -, und hin und wieder verdingten sie sich mehrmals einige Monde als Spinnerinnen oder hüteten die Herden der Bauern.
    Ein Stück des Weges hatte sie ein Mann begleitet, der »tanzende« Schlangen zur Schau stellte. Einige Male hatten sie sich einzelnen Reisenden angeschlossen, und manchmal verirrten sie sich und machten große Umwege.
    Hinter ihnen lagen so viele Abenteuer, daß Kassandra nie auch nur den Versuch machte, sie alle zu erzählen. Aber jetzt waren sie gesund und sicher in Kolchis angekommen.
    Sie nahm Agathon wieder auf den Arm, und sie schritten durch das Tor. Kassandra wußte, sie sah wie eine Bettlerin aus. Sie trug immer noch den Mantel, den Agamemnon ihr auf dem Schiff umgelegt hatte - er war einmal leuchtendrot gewesen, inzwischen aber grau und ausgeblichen. Ihr Gewand war weit und aus ungefärbter Wolle; die Haare hatte sie lose mit einem Lederriemen zusammengebunden, der einmal an eine Sandale gehört hatte. Zakynthia sah noch schlimmer aus - weniger wie eine Bettlerin, sondern wie jemand, dem man nicht über den Weg traute. Ihre Sandalen waren durchgelaufen, und sie mußte in Kolchis ein Paar neue bekommen.
    Aber es war ihnen gelungen, das Kind warm und gut gekleidet zu halten, auch wenn der Kleine inzwischen aus seiner Tunika herauswuchs - sie war aus einem guten Wollstoff gemacht, den sie vor nicht allzu langer Zeit in einer Stadt erstanden hatte; gehalten wurde sie von einer Nadel, die sie aus dem letzten goldenen Kettenglied gemacht hatte. Auch seine Sandalen waren ordentlich und kräftig. Manchmal dachte Kassandra:  Er sieht weniger Agamemnon, sondern eher meinem Bruder Paris ähnlich.
    »Wir sind am Ziel unserer Reise«, sagte sie zu Zakynthia.
    Kassandra fragte eine Frau nach dem Weg zum Palast und erkundigte sich, ob Königin Imandra immer noch über die Stadt herrschte.
    Die Frau erwiderte: »Ja, aber sie wird alt. Es gab sogar Gerüchte, nach denen sie im Sterben liegt. Das glaube ich allerdings nicht.« Sie musterte Kassandras schäbigen Mantel und fragte: »Was will jemand wie du von unserer Königin?«
    Kassandra dankte der Frau, gab ihr aber keine Antwort. Sie schlug den Weg zum Palast ein. Zakynthia nahm Agathon auf den Arm und folgte ihr.
    Als sie die Treppe zum Palast hinaufstiegen, fuhr sich Kassandra verlegen mit den Fingern durch die Haare. Vielleicht hätte sie sich doch auf dem Markt ordentlich einkleiden und erst dann die Königin aufsuchen sollen.
    Sie ging zu der Anführerin der Wache - Kassandra kannte die inzwischen alte Frau noch von ihrer Zeit in Kolchis.
    »Ich bitte um eine Audienz bei Königin Imandra. «
    »Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte die Frau höhnisch. »Aber sie kann sich nicht mit allem Gesindel abgeben, das hier auftaucht und sie sehen will.«
    Kassandra sprach die Frau mit ihrem Namen an. »Erkennst du mich nicht? Deine Schwester war eine meiner Novizinnen im Tempel der Schlangenmutter.«
    »Prinzessin Kassandra!« rief die Frau. »Wir haben gehört, du seist tot … in Mykenai ums Leben gekommen … Klytaimnestra habe dich nach Agamemnons Tod ebenfalls ermordet.«
    Kassandra lachte. »Wie du siehst, bin ich hier, und es geht mir gut. Aber ich bitte dich, bringe mich zur Königin.«
    »Gewiß. Sie wird sich freuen, daß du den Untergang von Troia überlebt hast«, rief die Frau. »Sie hat um dich wie um ihre eigene Tochter getrauert.«
    Die Frau wollte Kassandra in ein Gastgemach bringen, damit sie sich für die Audienz vorbereiten könne. Kassandra lehnte dankend ab. Sie bat Zakynthia, auf sie zu warten, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Auch mich hat die Göttin hierhergeführt«, erklärte Zakynthia, »und ich kann nur der Königin offenbaren, warum ich gekommen bin.«
    Kassandra wollte unbedingt Zakynthias Geschichte erfahren und willigte ein, sie mitzunehmen. Kurz darauf lag sie in den Armen ihrer Tante.
    »Ich glaubte, du seist tot wie Hekabe und die anderen«, sagte Imandra.
    »Ich dachte, Odysseus habe Hekabe mitgenommen«, erwiderte Kassandra.
    »Nein, eine ihrer Frauen ist hierher geflohen und hat berichtet, Hekabe sei an gebrochenem Herzen gestorben, noch ehe das Schiff
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