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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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mit Agathon im Arm, und wenn der Säugling an ihrer Brust einen Verführer nicht abzuhalten vermochte, dann konnte es vermutlich nur ein Dolch.
    Eines Nachts wurde das Schiff in einem schweren Sturm zum Spielball der hohen Wellen. Zakynthia breitete ihre Decken neben Kassandra aus und bot an, Agathon zu sich zu nehmen. Die Wellen schoben die Decken in der kleinen Kabine erst in die eine Ecke und dann in die andere, bis die größere und kräftigere Zakynthia schließlich Kassandra in die Arme nahm. Kassandra fühlte sich so krank und benommen, daß sie den schützenden Körper nur als Wohltat in diesem schrecklichen Sturm empfand.
    Danach schwand ihre Furcht vor Zakynthia etwas; kein Mann hätte sich eine solche Gelegenheit entgegen lassen, und sie erwog andere Möglichkeiten. Vielleicht war er ein Eunuch oder hatte als Heilpriester ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Aber warum trug er Frauenkleider und gab sich als Frau aus? Schließlich dachte Kassandra, es sei nicht weiter wichtig, und stellte bald fest, daß es für sie nicht von Bedeutung war, ob eine Frau oder ein Mann sie begleitete. Er oder sie war ein Freund, dem sie vertraute und den sie liebte. Auch Agathon liebte Zakynthia und verließ bereitwillig den Arm der Mutter, um sich von ihr herumtragen und wiegen zu lassen.
    Endlich lief das Schiff in einen Hafen ein, und sie gingen an Land. Kassandra wollte auf dem Markt Pferde kaufen.
    »Aber Herrin«, sagte der Pferdehändler. »Du willst doch nicht mit einem kleinen Kind und einer Dienerin durch das Land der Kentauren reiten?«
    »Ich weiß nicht einmal, ob noch Kentauren am Leben sind«, erwiderte sie. »Ich fürchte mich jedenfalls nicht vor ihnen.« Sie hoffte, auf dem Weg noch Überlebende des untergegangenen Volkes zu treffen. Gegen ein goldenes Kettenglied tauschte sie Pferde und Proviant für die Reise ein. Außerdem erstand sie einen Mantel, den sie als Schlafdecke oder sogar als Zelt benutzen konnte.
    »Du solltest auch ein Gewand haben, Zakynthia«, sagte sie und strich mit der Hand über ein Stück Wollstoff, der vielleicht ein Mäntelchen für Agathon abgeben würde. »Du siehst so zerlumpt wie eine Bettlerin aus. Ich dachte, ich schneide mir für die Weiterreise vielleicht die Haare kurz und werde Männerkleider tragen. Agathon kann bald entwöhnt werden, und hier gibt es sicher Ziegen. Vielleicht ist es etwas ungefährlicher, als Mann durch das wilde Land zu reisen. Was hältst du davon? Du bist größer und kräftiger als ich und würdest als Mann noch überzeugender wirken. « Zakynthia hörte ganz ruhig zu, aber Kassandra entging nicht, wie sie erschrocken den Atem anhielt, ehe sie antwortete: »Du mußt tun, was du für richtig hältst, Herrin. Aber ich kann keine Männerkleider anziehen oder als Mann reisen.«
    »Warum nicht?«
    Zakynthia wich ihrem Blick aus.
    »Es ist ein Eid. Mehr darf ich nicht sagen.«
    Kassandra erwiderte achselzuckend: »Dann reiten wir als Frauen.«
    Kassandra blickte zu den Toren von Kolchis auf und erinnerte sich daran, wie sie als junges Mädchen die Tore mit den Amazonen zum ersten Mal gesehen hatte. Sie hatte sich verändert, und die Welt hatte sich verändert, nur die großen Tore waren noch die alten.
    »Kolchis«, sagte sie leise zu Zakynthia. »Die Götter haben uns endlich hierhergeführt. «
    Sie setzte Agathon auf die Erde. Er begann inzwischen zu krabbeln. Wenn die Reise nicht so mühsam gewesen wäre, hätte er vielleicht schon laufen können. Aber sie waren gezwungen gewesen, ihn die meiste Zeit zu tragen, anstatt ihn krabbeln zu lassen oder ihm das Laufen beizubringen. Er war inzwischen beinahe zwei Jahre alt, und an dem kräftigen kleinen Kinn, den dunklen Augen und den schwarzen lockigen Haaren sah sie, daß Agamemnon tatsächlich sein Vater war.
    Zumindest würde er nicht zu einem Mann von der Art eines Agamemnon heranwachsen.
    Es war eine lange Reise gewesen, aber wie sie jetzt wußte, keine endlose, wie es manchmal den Anschein gehabt hatte. Sie waren meist nachts geritten und hatten tagsüber in Wäldern oder Gräben Schutz gesucht. Kassandra hatte mehrere Paar Sandalen verbraucht, und ihre Kleider waren fadenscheinig, denn sie hatte keine Möglichkeit gehabt, sie zu ersetzen.
    Unterwegs waren sie Soldaten begegnet; Überlebenden aus Troia. Aber von Kentauren hatte sie nichts gesehen oder gehört. Die meisten, die sie nach den Kentauren fragte, glaubten, sie seien nur eine Legende, oder erklärten, sie erzähle Märchen, und lächelten
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