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Die Festung der Perle

Die Festung der Perle

Titel: Die Festung der Perle
Autoren: Michael Moorcock
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und die Bedingungen festlegen, nach denen wir zukünftig Handel treiben wollen. Ich glaube, eine gewisse Ausgewogenheit bei den Geschäften wird allen willkommen sein.« Er lachte. »Aber wir werden warten, bis die Toten ehrbar verzehrt sind.«
    Varadia nahm Oones Hand. Gemeinsam gingen sie an den großen Teichen der Oase dahin. Der Blutmond verblaßte langsam, die Blätter der Silberblumen strahlten noch heller. Bald würde der Blutmond untergegangen sein, und die Blüten würden ihre Blätter verlieren. Dann war die Zeit für die Wüstenbewohner gekommen, wieder ihre eigenen Wege zu gehen.
    »Du hast den Mann mit dem weißen Gesicht geliebt, stimmt’s?« fragte Varadia ihre Freundin.
    »Kind, ich kannte ihn kaum.«
    »Ich kannte euch beide recht gut. Das liegt noch nicht lange zurück.« Varadia lächelte. »Und ich werde sehr schnell größer. Das hast du selbst gesagt.«
    Oone war gezwungen, ihr recht zu geben. »Aber es gab keine Hoffnung, Varadia. Unsere Geschicke sind zu unterschiedlich. Und ich habe wenig Verständnis für die Entscheidungen, die er trifft.«
    »Dieser Mann ist ein Getriebener. Ihm bleibt nur wenig Entscheidungsfreiheit.« Sie strich sich eine honigfarbene Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Vielleicht«, sagte Oone. »Doch können einige von uns sich dem Schicksal, das die Lords der Ordnung und die Lords des Chaos uns bestimmten, widersetzen und trotzdem überleben und etwas schaffen, das den Göttern verboten ist.«
    »Was wir schaffen, bleibt ein Mysterium«, sagte Varadia voll Mitgefühl. »Für mich ist es immer noch schwer zu verstehen, wie ich diese Perle schuf und damit genau den Gegenstand machte, der die Feinde anlockte, denen ich entfliehen wollte. Auf einmal war alles wirklich!«
    »Ich habe das schon öfter erlebt«, sagte Oone. »Nach solchen Kreationen sucht ein Traumdieb, davon lebt er.« Sie lachte. »Diese Perle würde mir für lange Zeit ein gutes Einkommen sichern, wenn ich sie auf dem Markt feilböte.«
    »Wie macht man aus Träumen Wirklichkeit, Oone?«
    Oone schwieg und blickte auf das Wasser, wo sich die blaßrosa Scheibe des Mondes spiegelte. »Wenn eine Auster sich durch ein von außen eingedrungenes Sandkorn bedroht fühlt, versucht sie, es zu isolieren und formt eine Schale darum, die schließlich zu einer Perle wird. So geschieht es manchmal. Bei anderen Gelegenheiten ist der menschliche Wille so stark, der Wunsch nach etwas so mächtig, daß dadurch etwas Wirklichkeit wird, das bis dahin als unmöglich galt. Es ist nicht ungewöhnlich, Varadia, daß ein Traum wahr wird. Dieses Wissen ist einer der Gründe, warum ich immer noch Achtung vor der Menschheit habe, trotz all der Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die ich auf meinen Reisen erlebt habe.«
    »Ich glaube, ich verstehe«, sagte das Heilige Mädchen.
    »Im Laufe der Zeit wirst du alles genau verstehen«, versicherte Oone ihr. »Denn du bist eine der wenigen, die fähig sind, solches zu schaffen.«
    Einige Tage später machte Oone sich auf, um die Oase der Silberblume zu verlassen und nach Elwher und dem von keiner Karte erfaßen Osten zu reiten. Varadia sprach ein letztes Mal mit ihr.
    »Ich weiß, daß du noch ein Geheimnis hegst. Willst du es nicht mit mir teilen?« fragte sie die Traumdiebin.
    Oone war erstaunt. Ihre Achtung vor der einfühlsamen Intelligenz des Mädchens wuchs noch mehr. »Willst du noch mehr über das Wesen der Träume und der Realität erfahren?«
    »Ich glaube, du trägst ein Kind in dir, Oone«, sagte Varadia geradeheraus. »Hab ich nicht recht?«
    Oone faltete die Arme und lehnte sich gegen ihr Pferd. Dann schüttelte sie lachend den Kopf. »Nein wirklich! In dir, junge Frau, ist tatsächlich die gesamte Weisheit deines Volkes angesammelt.«
    »Das Kind desjenigen, den du liebtest, der aber für dich verloren ist?«
    »Aye«, antwortete Oone. »Eine Tochter, glaube ich. Vielleicht sogar Bruder und Schwester, wenn das Omen richtig ausgelegt wurde. In Träumen kann man mehr als Perlen empfangen, Varadia.«
    »Wird der Vater seine Nachkommen je kennenlernen?« fragte das Heilige Mädchen behutsam.
    Oone wollte sprechen, konnte aber nicht. Sie blickte rasch hinüber, wo Quarzhasaat in der Ferne lag. Erst nach einiger Zeit war sie in der Lage, sich zu einer Antwort zu zwingen.
    »Niemals!« erklärte sie.
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