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Die Feinde des Imperators

Die Feinde des Imperators

Titel: Die Feinde des Imperators
Autoren: John Maddox Roberts
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verstummte, unfähig, den
Vertrauensverlust, den sie gegenüber ihrem geliebten Onkel
empfand, einzugestehen.
    »Ich glaube,
dass Caesar sehr krank ist«, teilte ich ihr mit, »und
dass er geistig nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Die
Krankheit hat noch nicht seinen Intellekt beeinträchtigt oder
die Klarheit seines Denkens. Beides ist bei ihm so
außergewöhnlich ausgeprägt wie eh und je. Aber die
Krankheit hat seine …«, ich suchte nach einem Wort
oder einem Ausdruck, um einen unvertrauten Geisteszustand zu
beschreiben, »… Wahrnehmung der Realität
verändert. Er kennt keine Grenze mehr zwischen dem, was Caesar
will, und dem, was statthaft ist - oder überhaupt möglich
ist.«
    Ich sammelte meine
Gedanken und versuchte, die Dinge in eine gewisse Ordnung zu
bringen, so wie Callista eine ihrer philosophischen Abhandlungen
strukturieren würde. »Es ist etwas, das wir alle haben
kommen sehen, aber wir waren so in Ehrfurcht vor Caesar
erstarrt, dass wir es nicht wahrhaben wollten. Wir sträuben
uns gegen die Erkenntnis, dass er die gleichen Schwächen hat
wie jeder andere Sterbliche auch. Vor ein paar Tagen hat er vor dem
versammelten Senat einen ausländischen Gesandten abgekanzelt,
wie man allenfalls einen aufsässigen Sklaven zurechtstutzen
würde. Er plant einen großen Feldzug gegen eine
ausländische Macht, ohne auch nur den letzten zur Gänze
beendet zu haben. Er hat vor, Rom nach seinem eigenen Geschmack
vollkommen neu zu errichten, ohne eine wirklich klare Vorstellung
davon zu haben, was mit dem Rom passieren soll, das bereits da ist.
Er bringt langhaarige Barbaren in den Senat, ohne sie vorher zu
romanisieren! Na gut, letztere Maßnahme könnte sogar
dazu beitragen, den im Senat herrschenden Umgangston zu verbessern,
aber du weißt, worauf ich hinauswill. Er ist nicht mehr
rational, aber es gelingt ihm, sich das nicht anmerken zu lassen,
weil er so rational zu sein scheint.« Ich machte eine
Pause.
    »Jetzt will er
mit Kleopatras Hilfe Pharao werden«, fuhr ich
schließlich fort und sah Callista an. »Und genau
deshalb glaube ich, dass du nicht zurück nach Alexandria gehen
solltest. Er will Parthien erobern, aber in Wahrheit geht es in
diesem ganzen Spiel um Ägypten. Alexandria hat schon bei
seinem letzten Aufenthalt schweren Schaden genommen. Diesmal
könnte es noch viel schlimmer werden.«
    »Er hat
recht«, pflichtete Julia mir bei. »Bleib in unserer
Landvilla. Oder geh nach Athen, wenn du Italia unbedingt verlassen
willst. Du könntest dort unterrichten.«
    »Ich weiß
eure Sorgen um mein Wohlergehen sehr zu schätzen«,
entgegnete Callista, »aber ich gehöre nach Alexandria.
Wenn es dort ist, wo die Welt untergehen wird, ist es genau der
Ort, an dem ich sein sollte.« Sie lächelte.
»Außerdem ist es Frauen in Athen nicht gestattet, zu
unterrichten. Seit Aristoteles hat sich die Denkweise in Athen
nicht geändert. Ah, da sind wir ja.«
    Wir hatten Kleopatras
Haus erreicht, und ein größerer Kontrast zu dem, was wir
soeben bei Callista gesehen hatten, war kaum vorstellbar. Legionen
von Sklaven halfen uns aus unseren Sänften, als wären wir
eine Besuchergruppe von Krüppeln. Goldene Becher, bis zum Rand
gefüllt mit seltenen Weinen, wurden uns in die Hand
gedrückt. Für den Fall, dass es uns auf dem Weg von der
Sänfte zur Tür langweilig werden sollte, führten
Jongleure und Akrobaten ihre Kunststücke vor, Bären und
Paviane tanzten für uns, Menschen in weißen
Gewändern zupften an Lyren und sangen. Oben auf der Mauer
gingen nahezu nackte Männer und Frauen auf den Händen,
warfen einander Bälle zu und fingen sie auf eine
verblüffende, wenn auch einstudiert erscheinende Weise wieder
auf. Julia und einige der anderen Frauen rückten zusammen,
offenbar, um sich gegenseitig zu schützen, und gingen nach
drinnen.
    »Das ist schon
besser!«, verkündete Antonius. »Ich hatte schon
befürchtet, mich in einen Stein zu verwandeln, wenn ich diesen
Astronomen noch weiter hätte zuhören
müssen.«
    »Du hast ihnen
zugehört?«, fragte Lepidus kühl. Doch die Aussicht
auf ein wirklich ausartendes Gelage hatte Antonius' Laune derart
aufgehellt, dass er den mürrisch dreinblickenden Magister
equitum ignorierte. Brutus und Cassius standen eng beieinander, und
Sallustius sah aus wie ein Mann, der im Begriff war, eine reiche
Ernte an trunkenem Klatsch einzufahren. Wir gingen nach drinnen, wo
das Fest, obwohl es noch nicht einmal ganz dunkel war, bereits
ausschweifend in vollem Gange war.
    »Wie
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