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Die Feinde des Imperators

Die Feinde des Imperators

Titel: Die Feinde des Imperators
Autoren: John Maddox Roberts
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Abscheulichkeiten aufnehmen
konnte.
    »Natürlich
ist es eines Philosophen unwürdig, von derartigen Dingen Notiz
zu nehmen«, fuhr sie fort. »Ein wahrer Philosoph muss
absolute Ruhe bewahren, ganz egal, was um ihn herum geschieht. Er
sollte danach trachten, diejenigen anzuleiten, die in ihrer Torheit
auf Krieg und Gewalt zurückgreifen, um ihre Ziele zu
erreichen. Nicht einmal der in einer belagerten Stadt herrschende
Aufruhr sollte ihn bei seinem konzentrierten Nachdenken
stören. Die Unerschütterlichkeit des Archimedes
angesichts der Belagerung und des Falls von Syracus steht uns
für alle Zeiten als leuchtendes Beispiel vor Augen.«
Genau, und man sehe nur, was es dem alten Kerl eingebracht hat,
dachte ich.
    Sie lächelte
traurig. »Meine Freunde, ich gestehe euch, dass ich weit
davon entfernt bin, eine perfekte Philosophin zu sein. Ich will
kein Blut auf den Straßen Roms sehen. Ich will meine Freunde
nicht sterben sehen, schon gar nicht durch die Hand anderer
Freunde.«
    Zum ersten Mal meldete
sich jemand aus der Zuhörerschaft zu Wort. Es war Lepidus.
»Callista, willst du uns sagen, dass du für Rom einen
Bürgerkrieg voraussiehst?«
    »Ich bin keine
Sibylle und auch kein Orakel«, erwiderte sie. »Und ich
glaube auch nicht, dass sich der Wille der Götter in Anzeichen
und Omina manifestiert oder die Zukunft in den Sternen steht oder
sonst irgendwo. Die Zukunft liegt hinter einem Schleier verborgen,
durch den niemand hindurchsehen kann. Doch die Taten und Worte von
Männern können beobachtet, studiert und analysiert
werden, und aus alldem können Folgerungen, wenn nicht sogar
Schlüsse gezogen werden.« Zu meiner Überraschung
hob sie den Blick und sah mir in die Augen, und ich fühlte
mich von ihr in den Bann gezogen wie ein Kaninchen beim Anblick
einer Schlange. »Decius Caecilius, ist das nicht deine
Spezialität?«
    Ich war so sprachlos
wie ein Schuljunge, der von seinem Lehrer mit einer unerwarteten
Frage konfrontiert wird. »Ah, ja, ich denke, das ist das,
womit ich mich beschäftige.«
    »Du erwischst
ihn nüchtern«, erklärte Antonius. »Das ist
nie gut.« Diese Bemerkung wurde mit allgemeinem Kichern
quittiert, aber es klang gequält. Das hier hatte niemand
kommen sehen.
    »Ich habe mich
ebenfalls mit dieser Kunst beschäftigt«, fuhr Callista
fort, »allerdings auf noch höherer Ebene. Meine Position
hier hat mir Zugang zu Roms mächtigsten und weisesten
Bewohnern verschafft. Leider gehen Macht und Weisheit nicht immer
Hand in Hand. Einige dieser Mächtigen und Weisen haben sich
mir anvertraut, und ich werde ihr Vertrauen niemals missbrauchen,
doch was ich jetzt weiß, erfüllt mich mit ernster
Besorgnis.« Dann hellte sich ihre Miene auf. »Was mich
betrifft, ist die Entscheidung jedenfalls gefallen. Ich werde
ausreichend Zeit haben, mich von jedem Einzelnen von euch
persönlich zu verabschieden. Ich hoffe, ihr werdet mich
besuchen, wenn eure Wege euch je nach Alexandria führen
sollten. Und nun sollten wir zu dem übergehen, was meiner
Absicht nach der eigentliche Anlass dieses Abends sein sollte, der
Verabschiedung der Astronomen, die uns verlassen. Der hoch
geschätzte und äußerst gelehrte Sosigenes wird uns
jetzt über ein paar neue Erkenntnisse am Himmel berichten.
Entschuldigt bitte meine Abschweifungen.«
    Sosigenes erhob sich,
wandte sich den Versammelten zu und begann mit einem Vortrag
über etwas, das mir absolut unverständlich war.
Während er seinen Vortrag hielt, zogen sich etliche
Männer, ich eingeschlossen, verstohlen in eine Ecke
zurück, in der wir uns leise unterhalten konnten. Hermes holte
den Massiker hervor und füllte die Becher.
    »Verdammt
merkwürdig, nicht wahr?«, flüsterte Antonius.
»Was glaubt ihr, worum es bei alldem geht?«
    »Jedenfalls ist
es gut, dass sie abreist«, grummelte Lepidus.
»Andernfalls wäre ich versucht, sie mitsamt all den
anderen Wahrsagern aus der Stadt auszuweisen. Das düstere
Gerede, das sie verbreiten, stachelt die Leute
auf.«
    »Die Sorge, dass
die Leute sich von Prophezeiungen aufrühren lassen, betrifft
ja wohl allenfalls den Mob«, wandte ich ein. »Und
welcher Mob hört schon auf einen griechischen
Philosophen?«
    »Ich darf gar
nicht daran denken«, meldete sich Sallustius zu Wort,
»dass ich direkt hier in Rom so eine exzellente Quelle zur
Verfügung hatte und nicht einmal versucht habe, sie
anzuzapfen.«
    »Du hättest
sowieso kein Wort aus ihr herausbekommen«, erwiderte Brutus,
»es sei denn zu philosophischen Themen. Sie
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