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Das Labyrinth des Maal Dweb

Das Labyrinth des Maal Dweb

Titel: Das Labyrinth des Maal Dweb
Autoren: Clark Asthon Smith
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Die Kette des Aforgomon
    Es ist wirklich seltsam, dass John Milwarp und sein schriftstellerisches Werk schon nach so kurzer Zeit beinahe vergessen sind. Seine in leicht blumigem, romantischem Stil abgefassten Orient-Romane erfreuten sich noch vor wenigen Monaten zahlreicher Leser. Nun jedoch finden sie trotz ihrer Spannweite und gedanklichen Tiefe, trotz ihrer bezwingenden Sprachmagie nur noch selten Erwähnung. Und anscheinend sind sie auf unerklärliche Weise aus den Regalen der Buchhandlungen und Bibliotheken verschwunden.
    Selbst Milwarps geheimnisvoller Tod, der Polizei und Wissenschaft gleichermaßen vor ein Rätsel stellte, rief nur flüchtiges Interesse hervor. Sehr bald legte sich die Aufregung, ohne den geringsten Wellenschlag zu hinterlassen. Es schien, als hätte das Ereignis die Menschen nie beschäftigt.
    Ich war einige Jahre lang gut mit Milwarp bekannt. Dennoch ist meine Erinnerung an den Mann eigentümlich unscharf geworden, ähnlich einem Bild, das man in einem beschlagenen Spiegel erblickt. Seine düstere, halb fremdstämmige Persönlichkeit, seine Beschäftigung mit dem Okkulten, sein umfassendes Wissen über das Leben und die Brauchtümer des Orients … all dessen erinnere ich mich so mühsam und undeutlich, als versuchte ich, mir einen Traum ins Gedächtnis zu rufen. Mitunter bin ich fast schon zu glauben bereit, dass es meinen Freund Milwarp niemals gegeben hat. Es ist, als falle dieser Mann samt allem, was ihn betrifft, einem allgemeinen Vergessen zum Opfer, das ihn auf rätselhafte Weise deutlich schneller aus den Annalen der Menschheit tilgt, als es dem normalen Lauf der Dinge entspricht.
    In seinem Testament hatte Milwarp mich zu seinem Nachlassverwalter bestimmt. Ich habe versucht, einen Verlag für den unveröffentlichten Roman zu finden, den er hinterließ. Doch obwohl dieser Roman Milwarps übrigen Werken in keiner Weise nachstand, erwiesen sich meine Mühen als vergeblich. Milwarp sei nicht mehr gefragt, hieß es. Nun also veröffentliche ich in Form einer Erzählung in einem Magazin den Inhalt des Tagebuchs, das der Verstorbene während der letzten Wochen vor seinem Tod führte.
    Es mag sein, dass dieses Tagebuch für aufgeschlossene Leser etwas Licht in das Rätsel um Milwarps Ableben bringt. Schon jetzt erscheinen die Umstände dieses Todes nahezu aus der kollektiven Erinnerung getilgt. Daher gebe ich sie in meinem Bestreben, das Gedenken an Milwarp aufzufrischen und lebendig zu erhalten, noch einmal wieder.
    Milwarp war gerade nach San Francisco in sein Wohnhaus zurückgekehrt, nachdem er sich lange Zeit in Indochina aufgehalten hatte. Ich und andere, die ihn näher kannten, vermuteten, dass er sich an Orten aufgehalten hatte, die Reisende aus dem Abendland nur selten betraten. Um die Zeit seines Ablebens hatte er gerade die fertig getippten Seiten eines neuen Romans durchkorrigiert, der von den romantischeren und geheimnisvolleren Aspekten Burmas handelt.
    Am Morgen des 2. April 1933 erschrak Milwarps Haushälterin, eine Frau in mittleren Jahren, über einen gleißend grellen Lichtschein, der hinter der halb geöffneten Tür von Milwarps Arbeitszimmer hervordrang. Es sah aus, als stünde der gesamte Raum in Flammen. Die entsetzte Frau ging der Sache sofort auf den Grund. Sie betrat das Arbeitszimmer und erblickte ihren Herrn, der in einem Lehnstuhl am Schreibtisch saß. Am Leib trug er eines der prachtvollen, düsteren Gewänder aus chinesischem Brokat, die er anstelle eines Hausmantels anzulegen pflegte. Hoch aufgerichtet und starr saß er da, und auch der Füllhalter, der im Klammergriff seiner Finger auf den offenen Seiten eines Büchleins mit handschriftlichen Aufzeichnungen ruhte, bewegte sich nicht. Rings um ihn loderte und gloste einer Aureole gleich das fremdartige Licht. Im ersten Moment war die Frau überzeugt, Milwarps Kleider hätten Feuer gefangen.
    Mit einem warnenden Aufschrei stürzte sie zu Milwarp hin. Im selben Moment steigerte sich die Helligkeit der gespenstischen Aura ins Unerträgliche. Das fahle Frühlicht der Morgendämmerung wurde ebenso überstrahlt wie die Glühbirnen, die noch immer brannten, als hätte Milwarp die ganze Nacht am Schreibtisch gearbeitet. Zugleich schien das gesamte Zimmer eine Wandlung zu vollziehen: Die Wände und der Schreibtisch verblassten. An ihrer Stelle tat sich ein riesiger, leuchtender Abgrund vor der Haushälterin auf. Am Rand des Abgrunds stand nicht mehr der bequeme Polstersessel, sondern ein riesiger, grob aus Stein
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