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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen
Autoren: Maike Hallmann
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mit beiden Händen eine tiefe Furche hineingeschaufelt. Weitere Häuser säumten wie Stufen die abfallende Straße, weiter unten verbreiterte sich die Ansiedlung zu einem kleinen Dorf. Es wirkte fast verwunschen, wie aus einer anderen Zeit, aber die Straße war asphaltiert und frei von Schlaglöchern.
    »Glenshee«, verkündete sein Vater stolz, als hätte er diese klägliche Ansammlung von Häuschen eigenhändig erbaut.
    Benny hob die Brauen, ohne etwas zu sagen.
    Kaum bogen sie um die nächste Ecke, war das Dorf auch schon fast wieder zu Ende. »Wo ist denn …«, murmelte der Vater und beugte sich vor, um durch das feine Gestäube des Regens in die Ferne zu schauen. Sie fuhren an einem winzigen Haus vorbei, dessen Steinfassade mit irgendeiner bläulich blühenden Rankenpflanze bewachsen war. Und dort saß auf der hohen Mauer, die sich ans Haus anschloss, ein Mädchen und schaute Benny direkt an. Er sah sie erst, als sie fast schon daran vorbei waren, so still saß sie, und als er mit dem Kopf herumruckte, um nachzuschauen, war sie fort. Nur der Eindruck sehr heller, fast weißblonder Haare, die dünn und flusig im Wind wehten, blieb in ihm zurück, und das Gefühl, von scharfen Augen eingehend gemustert worden zu sein.
    »Was ist?«, fragte sein Vater.
    »Nichts«, brummte Benny und wandte sich widerwillig wieder nach vorn.
    »Ah!«, rief sein Vater aus. »Da!« Mitten auf der Straße hielt er an und deutete nach vorn.
    Benny sah nur eine weite graue Fläche, die sich hinter dem Dorf erstreckte. Zuerst glaubte er, es sei ein endloser betonierter Platz, aber es war ein riesiger See, der direkt hinter dem Dorf in bleigrauer Reglosigkeit dalag. Und ein ganzes Stück dahinter, wo das Tal leicht anstieg, wuchs eine Burg empor, ausladend und so schroff und wuchtig, als hätte derselbe Riese, der das Tal ausgehoben hatte, sie mit einem gewaltigen Hammer direkt aus einem riesigen Felsbrocken gehauen. Durch den Tröpfchenregen verschwammen ihre Umrisse, als läge sie hinter einer feinen Nebelwand. Sie war noch so weit fort, dass Benny sie mit der Fingerspitze verdecken konnte, spielzeugklein, aber selbst auf diese Entfernung wirkte sie gewaltig.
    »Glenshee Castle.« Sein Vater lächelte selbstzufrieden. »Dein neues Zuhause.«
    Mit einem Ruck verschloss sich etwas in Benny, er spürte es in sich nachhallen, als wären große Torflügel zugeschlagen. »Ah«, sagte er. »Nett.«
    »Nett? Was heißt denn hier nett ?«
    »Halt eine Burg, oder? Willst du hier eigentlich ewig stehen bleiben?«
    Kopfschüttelnd gab sein Vater Gas. Immerhin sagte er nicht wieder Ich verstehe dich nicht , sondern hielt den Mund. Nur sein Gesicht sprach Bände, aber Benny schaute einfach nicht hin.
    Stattdessen blickte er aus dem Fenster, sah auf halbem Weg die Ruine eines Steinhäuschens vorbeisausen, die wie ein abgebrochener Backenzahn am Wegrand steckte, und schloss die Augen, als sie über eine kurze, aber breite Brücke fuhren und die Mauern der Burg über ihnen aufragten. Sie waren da.
    Glenshee Castle überwältigte ihn. Allerdings auf andere Art als seinen Vater, der leuchtete wie eine Hundertwattbirne. Er schaute sich mit funkelnden Augen um, die verrieten: Er als Junge hätte alles dafür gegeben, auf ein solches Burginternat zu gehen.
    Benny hingegen kam Glenshee Castle aus der Nähe noch bedrückender vor. Alles war wie auf den mehrfachen Maßstab vergrößert, die Mauern ragten steil und grau und himmelhoch auf, die schmalen Fenster lagen deutlich höher, als er groß war, und das offene Tor, auf das sie zuhielten, war mehr als doppelt mannshoch, als wäre Glenshee Castle nicht für Menschen erbaut worden. Zu seiner eigenen Überraschung schüchterte die Burg ihn ein. Er fühlte sich verloren, als sie durchs Tor traten, in einen Hof, in dem ein Bus parkte – nein, zwei, hinter dem ersten stand noch einer.
    Kurz schaute sich sein Vater um, dann steuerte er auf ein weiteres Tor zu, das ins Innere der Burg führte. Schweigend folgte ihm Benny. Das eigenartig hohle Gefühl in seinem Innern ähnelte Hunger, aber er hätte keinen Bissen herunterbekommen. Er wusste nicht, was er denken sollte. Hier zu sein war so unwirklich, als würde er träumen.
    Hinter dem Tor öffnete sich eine weite Halle. Als sie eintraten, hörte Benny Stimmen: Ganz am anderen Ende der kargen Halle, in der Wandteppiche und Waffen hingen, Schwerter und Äxte und einige Morgensterne und eine Reihe wappenverzierter Schilde, standen gut zwanzig dunkelblau uniformierte
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