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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen
Autoren: Maike Hallmann
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Kinder und lauschten einem älteren Schüler in der gleichen Uniform, der ein paar Treppenstufen höher stand und in schnellem, nicht ganz akzentfreiem Englisch auf sie einredete. Schuluniformen – ach ja. Einer der Punkte, die seinem Vater besonders gefallen hatten. Von Gemeinschaftsgefühl hatte er gesprochen und von Tradition und Gleichberechtigung und davon, dass sich niemand durch seine Kleidung hervortun konnte – innerhalb von fünf Minuten waren sicher dreißig theoretische Euro fürs Phrasenschwein zusammengekommen, woraus Benny schloss, dass sein Vater befürchtete, Benny fände Schuluniformen schrecklich. Tatsächlich hatte er dazu aber keine besonders ausgeprägte Meinung, es war ihm einigermaßen egal, was er trug, und was die anderen anzogen, erst recht. Schuluniformen, Kartoffelsäcke, seinetwegen auch Schottenröcke, das kümmerte ihn wenig, solange er zum Laufen seine Trainingsklamotten anziehen konnte.
    Kurz betrachtete er den kleinen Haufen Leute. Sie sahen einander so ähnlich in ihren Uniformen, alle vielleicht elf, höchstens zwölf Jahre alt. Sie alle schauten so aufmerksam drein, dass er grinsen musste – nie im Leben interessierten sie sich alle derart brennend für die Geschichte dieser blöden Burg oder die Hausregeln oder was auch immer der Ältere ihnen gerade verkündete.
    Nach einem raschen Rundumblick hielt sein Vater schnurstracks auf die Gruppe zu. Benny folgte ihm mit ein paar Schritten Abstand.
    »Entschuldigung«, rief sein Vater auf Deutsch, dann, sich besinnend: »Excuse me«, und fuhr auf Englisch fort: »Mein Sohn und ich sind gerade erst angekommen. Ich darf mich vorstellen: Reutter ist mein Name. Dieser junge Mann hier ist mein Sohn. Wir suchen das Büro der Direktorin.«
    Peinlich, dachte Benny. Wirklich peinlich. Sein Vater betonte jede Silbe so, wie er es für besonders schottisch hielt, die Grammatik war so überkorrekt wie aus dem Lehrbuch.
    Alle Blicke wandten sich ihm zu – ihm, nicht seinem Vater. Der ältere Schüler musterte ihn eingehend.
    Ruhig erwiderte Benny den Blick der kalten grauen Augen.
    Der Fremde hob die Brauen, sie waren so dunkel wie das Haar und bildeten zwei perfekte Bögen. Das schmale Gesicht mit der fein geschnittenen, etwas zu langen Nase war wie dafür gemacht, abfällig auf andere hinunterzusehen. »Reutter«, sagte der Schüler. »Herr Joachim Reutter?«
    »Richtig«, sagte Bennys Vater überrascht.
    »Und Robin Benedict.« Ein kurzes, förmliches Lächeln. »Nun, wir haben Sie bereits vermisst. Ihren Sohn, um genau zu sein. Eigentlich hätte er gestern Abend ankommen sollen – da fand die offizielle Begrüßung statt.«
    »Ja«, sagte Bennys Vater. »Wir sind ein wenig – nun, ich hatte noch einen wichtigen Termin, und dann haben wir uns ein wenig an der Küste aufgehalten. Aber in den ersten Tagen, habe ich mir sagen lassen, findet ja ohnehin noch kein regulärer Unterricht statt. Und jetzt sind wir ja da.«
    »Offensichtlich.« In der Stimme des Jungen lag kühle Missbilligung. Er ließ den Blick über die jüngeren Schüler schweifen, die reglos dastanden. »Gerome.«
    Einer der Zwerge zuckte zusammen, als hätte er eins mit der Peitsche übergezogen bekommen. »Ja, hier.«
    »Sir.«
    Verwundert sah Benny, wie dem Kleinen das Blut in die runden Wangen stieg. »Ja, Sir «, schmetterte der Zwerg markig. Unwillkürlich schnaubte Benny, nur ganz kurz, es war nicht mal ein richtiges Lachen, aber er sah, wie sich der Kiefer des älteren Schülers spannte: Er hatte es gehört.
    »Bring Herrn Reutter bitte ins Büro von Direktorin Rutherford. Sieh zu, dass du nicht trödelst. Melde ihn ordnungsgemäß an und komm zurück. Ich gehe davon aus, dass du den Weg findest.« Er wandte sich an Benny. »Du bleibst direkt hier. Die halbe Führung hast du verpasst, du wirst selbst zusehen müssen, wie du dich im Westflügel zurechtfindest.« Er runzelte die Stirn. »Gerome!«
    »Ja, Sir!«
    »Worauf wartest du?« Mit einem Nicken entließ der Schüler den Kleinen und damit auch Bennys Vater. Mit entschuldigendem Blick eilte Joachim Reutter, 49 Jahre alt und Professor für Anglistik, hinter dem Kleinen her, der ein Tempo an den Tag legte, als sei ein Rudel ausgehungerter Wölfe hinter ihm her. Perplex starrte Benny hinterher und war versucht, einfach mitzugehen, aber da waren die beiden schon um die nächste Ecke verschwunden, und der ältere Schüler fuhr in seinem Vortrag fort, als sei nichts gewesen. Er klang routiniert, etwas blasiert und war Benny
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