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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte
Autoren: Carl Zuckmayer
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Ordenssternen,
Paradebändern und Schnüren überladen, in hohen Lackstiefeletten mit
Silbersporen, ein glitzerndes Zepter in der Hand, auf dem Kopf eine
reichgestickte, schellenverzierte, aus glänzenden bunten Seidenstoffen gewirkte
Narrenkappe, die nach Art der phrygischen Mützen geformt war und, wenn man
daran denken mochte, auch an die Jakobinermützen der Blutherrschaft erinnerte.
Trotz dieser Verkleidung wirkte er in seiner straffen, federnden Männlichkeit, mit
seinen von echter Freude und kindlichem Stolz blitzenden blauen Augen und der
frischen, jetzt wohl auch wein- und luftgeröteten Haut unter den grauen
Schläfen völlig überzeugend als eine herzerquickende Persönlichkeit. Ja, es
strahlte von seinen offnen Zügen etwas wie Wärme und Weltverständnis aus, das
mehr als ›Gutmütigkeit‹ andeutete, und Violas beklommener Atem ging bei seinem
Anblick unwillkürlich leichter, wie von Vertrauen besänftigt. Panezzas Gattin,
Clotilde, war gleich mit einigen älteren Damen in einem Ablegezimmer
verschwunden, Viola bekam sie nur umrißhaft, als ein grauseidenes Abendkleid
mit Spitzeneinsatz und fließendem Chinchillapelz, zu Gesicht. An Panezzas Seite
aber zeigte sich, ebenfalls in einem überladen prächtigen, doch durch die
Koketterie weiblichen Schnitts und Zierats gemilderten Kostüm, eine wahrhaft
liebliche Erscheinung, der wie auf Gemälden mit Goldgrund eine blendende Fülle
eignen, natürlichen Blondhaars das rosige Mädchengesicht umrahmte. Das kleine
diademartige Krönchen, von dem bunte Steine blitzten, schien mit Absicht schief
und frech auf den Scheitel gesetzt. Um ihre feinen Lippen lag ein verträumtes,
oder auch nur liebenswürdiges Lächeln, während die etwas vorstehenden Augen
feucht, blank und einfältig vor sich hin schauten. Ein junger Mann in Smoking
und Narrenkappe, der mit einer riesigen Chrysantheme im Knopfloch und eingezwicktem
Monokel recht affig wirkte, hielt sich dicht hinter ihr und bemühte sich um
ihren zu schweren, brokatsteifen Prunkmantel, den er wie eine Beute oder ein
Symbol des Besitzertums überm Arm behielt. Er sei, wie Bettine flüsternd
erklärte, Katharinas Bräutigam, ein Regierungsassessor! Sie sprach das Wort mit
weichem g aus und ironisierte es gleichzeitig durch übermäßig respektvolle
Betonung.
    Dann aber zerrte sie Viola hastig in
ihr Ankleidezimmer, denn die Gäste drunten betraten schon, unter lauten Ausrufen
des Appetits und der Bewunderung: »Ahh — Pommery! Austern! Kaviar!« den großen
Speiseraum, in dem offenbar ein Büfett angerichtet war. Nur Prinz und
Prinzessin Karneval blieben noch in der Vorhalle zurück, denn es gehörte zum
Zeremoniell, daß sie ein wenig später, wie ein hofhaltendes Fürstenpaar, durch
das Spalier der drinnen aufgereihten Gesellschaft feierlich einziehen sollten.
Der affige junge Mann war, mit dem kostbaren Mantel überm Arm, ins Musikzimmer
geeilt, da er grade genug Klavier spielen konnte, um den feierlichen Einzug mit
dem Narrenmarsch zu begleiten. Das Dienstmädchen Bertel, das eben mit den
letzten paar Überziehern treppauf verschwunden war, blieb im Schatten des
unbeleuchteten ersten Stockes stehen, um sich den Anblick des Einzugs nicht
entgehen zu lassen. Neugierig musterte sie die beiden pompös aufgeputzten
Gestalten, die sich jetzt im Vorplatz allein befanden und sich, Arm in Arm, in
Positur stellten. Da bemerkte sie, wie sich die Gesichter der beiden, für einen
Augenblick einander zugewandt, völlig veränderten... Es war, als seien sie
plötzlich entfärbt, entblutet, leichenblaß geworden... und ihre Hände, die
vorher zur Pose des Einzugs leicht auf ihren Ärmeln gelegen hatten, suchten
sich hektisch und verkrampften sich ineinander. Mit einer heftigen Bewegung
preßte Panezza sein Gesicht auf die nackte, von Hermelin umrahmte Schulter des
Mädchens. Es hatte nichts von einer spielerisch verliebten Zärtlichkeit, es war
wie Verzweiflung. Katharinas Augen hatten sich geschlossen, ihr Mund war
verzerrt, als ob sie schreien müsse. Gleich darauf zuckten beide wie unter
einem inneren Schlag zusammen und auseinander. Ihre Hände lösten sich, ihre
Gesichter nahmen wieder die gewohnte Farbe an, ihr Atem ebbte ab, und mit einer
fürsorglichen weiblichen Bewegung, als sei nichts weiter geschehen, rückte das
Mädchen Panezzas schiefgerutschte Narrenkappe zurecht.
    Im selben Augenblick setzte, grob aus
dem Klavier gehauen, die Melodie des Fastnachtmarsches ein — ›Rizzambaa,
Rizzambaa‹ — , und unterm Vivat
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