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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte
Autoren: Carl Zuckmayer
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der Gäste stolzierte das Paar mit königlicher
Grazie in den Saal. Bertel biß sich droben vor Aufregung die Unterlippe wund.
     
     
    I ndessen lag der stille Mann in der
Domsakristei noch immer auf dem steinernen Sarkophag, doch hatte man ihm
inzwischen die Uniform ausgezogen, zwei behelmte Polizisten hatten sich den
Domschweizern zugesellt, und ein paar Herren in Mänteln befaßten sich mit der
Untersuchung. Auch der Domkapitular Henrici, der den ganzen Hergang zu
Protokoll gegeben hatte, und der Dr. Carlebach standen noch dabei. Die Waffe,
mit der der Todesstoß geführt worden war, hatte der Gerichtsarzt entfernt und
sorgfältig eingepackt. Soweit Henrici hatte sehen können, handelte es sich um
ein langes, dünnblattiges Stilett, mit einem Handgriff oder Heft aus Feinmetall.
In der Uniform des Toten eingenäht und auf einem eingeklebten Plättchen in
seinem Mützendeckel hatte man den Namen gefunden: Dragoner Clemens Bäumler,
sowie die Schwadronsnummer des Regiments — der gleiche Name fand sich auf einem
Urlaubspaß in der Tasche des Toten, der für die Zeit von Samstag nachmittag
nach dem Stalldienst bis Mittwoch früh zum Wecken lautete. Allen übrigen Inhalt
seiner Taschen hatte der untersuchende Kriminalkommissar an sich genommen, ohne
etwas davon sehen zu lassen. Ein telefonischer Anruf vom Sekretariat des
Domkapitels beim Wachbüro der Kaserne hatte bestätigt, daß tatsächlich ein
Dragoner dieses Namens, der in seinem dritten Dienstjahr stand, über die
Fastnachtstage beurlaubt worden war. Als Heimatort des Soldaten wurde das Dorf
Nieder-Keddrich im Rheingau angegeben.
    Weitere Nachforschungen schienen im
Augenblick noch nicht dienlich. Doch waren dem Kommissar, wie er den anderen
Herren mit leiser Stimme zu verstehen gab, einige ungewöhnliche Umstände
aufgefallen. So konnte man, trotz der Leichenblässe, feststellen, daß die
Gesichtshaut des Toten besonders dunkelbraun gebrannt war, von einem geradezu
gegerbten Braun, wie es in diesen Breiten auch bei häufigem Außendienst und
starker Sonneneinwirkung kaum vorzukommen pflegt. Allerdings war der obere Teil
der Stirn, wie es bei heim- oder mützetragenden Militärpersonen der Fall ist,
bedeutend heller gefärbt. Das tiefe Sonnenbraun mochte also nach fast
dreijähriger Dienstzeit nichts anderes bedeuten als eine besondere
Empfindlichkeit der Hautpigmente. Das dunkle, wellige Haar des Mannes war
jedoch nicht auf militärische Art geschnitten, sondern eher etwas zu lang, und
auf der Seite modisch gescheitelt. Das Merkwürdigste aber war das Fehlen der
Handschuhe, die zu dem sonst völlig korrekten Ausgehanzug unbedingt gehörten.
Nun mochte er sie wohl vorm Händefalten ausgezogen haben, aber es hatten sich
weder im Beichtstuhl noch sonstwo in der Kirche oder in ihrer unmittelbaren
Umgebung verlorene Handschuhe gefunden. Jedenfalls wurden die Polizisten
beauftragt, in den umliegenden Straßen sorgfältig danach zu suchen, was aber
bei dem in der Marktgegend herrschenden Fastnachtstrubel ziemlich aussichtslos
erschien.
    Inzwischen war draußen am Leichhof vor
einem Hinterausgang ein pferdebespannter Polizeiwagen vorgefahren. Man hatte
der Fastnacht wegen vermeiden wollen, einen richtigen Leichenwagen in
Erscheinung treten zu lassen, und lieber nach der sogenannten ›Grünen Minna‹
geschickt, die gerade in diesen Tagen, in denen es öfters Radaubrüder oder allzu
Betrunkene abzuschaffen galt, in den Straßen kein ungewöhnlicher Anblick war.
Nur folgten ihr immer eine Horde von Gassenbuben, weil es beim Ausladen der
Delinquenten manchmal zu turbulenten Szenen kam. Zu dieser späten Stunde jedoch
durfte man annehmen, mit dem stillen Mann ohne besonderes Auffallen zum
Seiteneingang des Kriminalgerichts in der Albinistraße zu gelangen, wo sich die
Aufbahrungsstelle für tödlich Verunglückte oder unbekannte Tote befand.
    Bevor man die starre Gestalt auf die
Bahre hob, die von zwei Sanitätsmännern hereingebracht worden war, beugte sich
Henrici noch einmal über das Gesicht des Toten, und machte mit dem Daumen das
Kreuzzeichen auf seine Stirn. Erst als die Bahre dann im sicheren Gleichschritt
der Träger, dem etwas Berufsmäßiges anhaftete, wie wenn man Bretter oder Säcke
transportiert, aus der gewölbten Halle verschwand, wurde dem Priester bewußt,
daß von dem Toten ein eigentümlicher Geruch, oder Duft, ausgegangen war — wie
man ihn bei Männern, noch dazu Militärpersonen, nicht erwartet. Es war das
Aroma eines starken, süßen Parfüms,
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