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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen
Autoren: Jules Verne
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François Clerc’s und Vaudreuil’s ging denn auch dahin, sich des Lord Dalhousie und der hauptsächlichsten Mitglieder des gesetzgebenden Körpers zu bemächtigen, darauf, wenn dieser Staatsstreich gelungen wäre, eine Volksbewegung in den Grafschaften des St. Lorenzo hervorzurufen, eine provisorische Regierung einzusetzen, bis durch allgemeine Wahlen eine Nationalregierung errichtet wäre, und endlich die canadischen Milizen der regulären Armee entgegenzuwerfen.
    Die Verschwörung hätte auch vielleicht Erfolg gehabt, wenn nicht der Verrath eines der Theilnehmer sie zum Scheitern brachte.
    Dem Walter Hodge und seinen franco-canadischen Parteigängern hatte sich ein gewisser Simon Morgaz angeschlossen, dessen Lebensverhältnisse und Abkunft wir hier kurz mittheilen müssen.
    Im Jahre 1825 zählte Simon Morgaz fünfundvierzig Jahre. Rechtsanwalt in einem Lande, wo es mehr Rechtsanwälte als Klienten gibt, ebenso wie weit mehr Aerzte als Patienten, lebte er in ziemlich dürftigen Verhältnissen zu Chambly, einem kleinen Flecken am rechten Ufer des Richelieu, etwa zehn Lieues (fünf deutsche Meilen) von Montreal, an der anderen Seite des St. Lorenzo.
    Simon Morgaz war ein entschlossener Mann, dessen Energie besonders bemerkt wurde, als die Reformer gegen die Handelsweise des englischen Cabinets protestirten. Sein offenes Benehmen, sein ansprechendes Gesicht machten ihn Allen sympathisch. Niemals hätte Jemand geargwohnt, daß die Person eines Verräthers sich dereinst aus diesem verführerischen Aeußern entpuppen sollte.
    Simon Morgaz war verheiratet. Seine um acht Jahre jüngere Frau zählte damals achtunddreißig Jahre. Bridget Morgaz, von amerikanischer Herkunft, war die Tochter des Major Allen, dessen Muth man im Unabhängigkeitskriege, wo er zu den persönlichen Adjutanten Washington’s gehörte, schätzen gelernt hatte. Der vollendetste Typus der Loyalität in ihrer reinsten Gestalt, hätte er für ein gegebenes Wort mit der Ruhe eines Regulus das Leben geopfert.
    In Albani, Staat New-York, war es, wo Simon Morgaz und Bridget sich begegneten und kennen lernten. Der junge Advocat war von franco-canadischer Abstammung, ein Umstand, der bei Major Allen ins Gewicht fiel, da dieser seine Tochter niemals einem Manne von englicher Abkunft gegeben hätte. Obwohl Simon Morgaz kein eigenes Vermögen besaß, war dem jungen Haushalt durch das, was Bridget als mütterliches Erbtheil zukam, wenn auch kein Reichthum, so doch eine gewisse Wohlhabenheit gesichert. Die Ehe wurde in Albany im Jahre 1806 geschlossen.
    Das Leben der beiden Neuvermählten hätte ein recht glückliches sein können, war das aber keineswegs. Nicht daß Simon Morgaz die Rücksichten gegen seine Gattin aus den Augen gesetzt hätte, im Gegentheil, er bewahrte für sie eine innige Zuneigung – so verzehrte ihn doch eine Leidenschaft – die Spielwuth. Das Erbtheil Bridgets verschwand binnen wenigen Jahren, und obgleich Simon Morgaz den Ruf eines geschickten Advocaten besaß, reichte seine Thätigkeit als solcher doch nicht hin, um die Lücken in seinem Vermögen wieder auszufüllen. Litt seine Gattin nun zwar nicht geradezu Noth, so ertrug sie doch, und zwar mit einer gewissen Würde, so manche Qualen. Bridget machte ihrem Manne keinerlei Vorwürfe. Da ihre Ermahnungen fruchtlos geblieben waren, nahm sie die ihr zugefallene Prüfung mit Resignation, ja mit rühmenswerthem Muthe hin, wenn die Zukunft auch schwer bewölkt vor ihr lag.
    Bridget hatte diese wirklich nicht für sich allein zu fürchten. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatte sie zwei Kindern das Leben gegeben, welche in der Taufe denselben, nur wenig veränderten Vornamen erhielten, was an ihre gleichzeitig französische und amerikanische Abstammung erinnerte. Der Aeltere, Joann, war 1807 geboren; der Jüngere, Johann, 1808. Bridget widmete sich ausschließlich der Erziehung ihrer Söhne; Joann war von sehr sanftem Charakter Johann sehr lebhaften Temperamentes, Beide aber energisch unter ihrer Sanftmuth und ihrer Lebhaftigkeit. Sie hielten sich sichtlich mehr an ihre Mutter, welche ernsten Sinnes und arbeitsfreudig war und eine liebenswürdige Art und Weise hatte, die Umstände und Verhältnisse anzuschauen, welche Simon Morgaz vollständig abging. Ihrem Vater gegenüber bewahrten die Söhne deshalb wohl einen gewissen Respect, zeigten aber nichts von der natürlichen Hingebung, von jenem unbegrenzten Vertrauen, welches sonst ein Ausfluß der nächsten Blutsverwandtschaft ist. Ihrer Mutter
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