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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman
Autoren: Reber Sabine
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schlecht, hatte Daniel lamentiert, nicht einmal seinem ehemals besten Freund könne er mehr trauen. Aber Böses konnte Linda nun nirgends erkennen. So viele Leute, so viele Männer, Möglichkeiten, dachte sie, es gab so viele Möglichkeiten. Einige Jahre blieben ihr. Sie würde bei ihrer Nichte sein. Und wenn sie sich beeilte, gelang es ihr vielleicht sogar, eine eigene Familie zu gründen. Sie sah den Männern auf der Straße nach: zu jung, zu alt, zu betrunken, in Gedanken stellte sie Kriterien auf. Gut aussehen musste er, gesund sein, nüchtern, anständig, belesen und nicht auf den Kopf gefallen. Es würde nicht einfach sein.
    Am Empfang der National Library saß ein freundlicher, älterer Herr mit Schuppen auf der Uniform.
    Was suchen Sie?
    Er schaute ihr über den Rand seiner Brille hinweg in die Augen. Linda zeigte ihren Pass.
    Einen neuen Mann.
    Die Worte lagen ihr auf der Zunge.
    Oder sollte sie ihm sagen, sie hoffe in der Bibliothek einen neuen Lebenssinn zu finden? Sollte sie sagen, sie suche einen Mann, einen, der sie nicht wegen jeder Kleinigkeit anschrie, der ihr keine Stühle an den Kopf warf und sie nicht vulgär beschimpfte? Sie zögerte, musterte die Spitzen ihrer Schuhe. Sie hatte Bauchweh und hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Ihre Gedanken kreisten um ihren Bauch, sie sagte Buch, ein A weniger, und das Wort machte Sinn.
    Ich schreibe ein Buch über Grace O’Malley, sagte sie.
    Ihr erstes?, erkundigte sich der Angestellte.
    Seine Stimme klang mild, verständnisvoll. Sie nickte, stolz und erleichtert wie eine junge Mutter.
    Well, sagte er und händigte ihr den Leserpass aus.
    Im Karteiraum roch es nach altem Papier, nach Holzpolitur, Leder. Linda atmete die abgestandene Luft ein, als hätte sie genau danach gesucht. Sie hörte Wasser in den Dachrinnen rauschen und blickte aus dem Fenster. Der Regen fiel so dicht, dass die grauen Umrisse der Regierungsgebäude mit dem Himmel zu verschmelzen schienen.
    Sie suchte sich einen Tisch im Lesesaal. In das Flüstern und Blättern mischten sich die Geräusche nasser Schuhe. Linda starrte einen jungen Mann an, dem eine Haarsträhne ins Gesicht fiel, noch fast ein Knabe, mit schlaksigen Armen und zartem Hals, den groß gewachsenen Körper über einen Stapel Bücher gebeugt, er war kaum älter als zwanzig.
    Der Regen nahm zu. Wasser rann über einem hölzernen Türbogen herein, Wasser breitete sich auf dem Parkettboden aus. Die Lesenden starrten auf die Pfütze, die rasch anwuchs. Wer in den Karteiraum wollte, sprang ungeschickt über das Wasser, und wer mit seinen ausgefüllten Zetteln herauskam, hatte nasse Haare, bevor er begriff, dass es tatsächlich hereinregnete. Eine Studentin brachte Eimer und Putzlappen und begann die Pfütze aufzuwischen. Aber es tropfte schneller, als sie auftrocknen konnte. Sie stellte ein Schild auf: Caution Wet Floor. Die Anwesenden steckten ihre Nasen wieder in die Bücher.
    Linda suchte nach Dokumenten über Granuaile. Sie fand einige fiktive Romane, vorwiegend von Amerikanerinnen geschrieben, sowie Liedtexte, in denen Granuaile zur irischen Freiheitskämpferin stilisiert wurde.
    Sie wandte sich an einen der Bibliothekare, ließ sich die Annals of the Four Masters heraussuchen, die alte Ausgabe von John Donovan, die Pat ihr empfohlen hatte.
    Suche unter Mac William Burke, dem Namen ihres zweiten Ehemannes, sagte der Bibliothekar.
    Iron Richard, sagte Linda.
    Genau. Bevor er zum Mac William ernannt wurde, hieß er Richard Burke.
    Ich weiß, sagte Linda und ließ sich den Band bringen.
    Tatsächlich kam Granuaile nur in einer Fußnote vor.
    Ist das alles?, erkundigte sich Linda.
    Es sind zahlreiche Verwaltungsdokumente der englischen Gouverneure erhalten, die befinden sich aber im Londoner Staatsarchiv. Das irische Staatsarchiv wurde 1922 zerstört, kein großer Verlust. Die gälischen Clanchefs herrschten mit dem Schwert, die interessierten sich nicht für Tinte. Den Rest musst du eben erfinden, der Bibliothekar lachte.
    In Lindas Tasche vibrierte das Telefon. Sie hob mechanisch ab, ohne zuvor die Nummer des Anrufenden zu checken.
    Gibst du mir verdammt noch mal Pat ans Telefon?
    Ich bin alleine hier, sagte Linda.
    Bist du überhaupt in der Bibliothek? Mach mir bloß nichts vor! Mach dir selber bloß nichts vor!, fügte er noch an.
    Ihr Stuhl schien im Boden zu versinken, sie wollte im Boden versinken. Wenn sie nur nie wieder die Stimme von Daniel hören müsste. Während er sie durch das Telefon anschrie und beleidigte, hob
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