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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman
Autoren: Reber Sabine
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sie die Augen gen Himmel. Durch die Fenster unter der Kuppe sah sie, wie sich ein Riss durch die Wolken zog, sie brachen. Der Regen donnerte auf das bauchige Dach, das Wasser fiel so heftig vom Himmel, dass es von der Kuppe zu tropfen begann, Wasser rann über das Holz. Linda schaltete das Telefon aus und hielt sich den Bauch. Sie würgte und schluckte, ihr bisheriges Leben kam ihr hoch wie eine verdorbene Mahlzeit.
    Linda sah in den Saal, da saß der Student mit der langen Haarsträhne. Der junge Mann musste ihren Blick gespürt haben. Er stand von seinem Platz auf, erhob sich wie in Zeitlupe. Seine Haare flogen hoch und blieben unwirklich lange in der Schwebe. Linda meinte aus Raum und Zeit zu fallen, so schwebte er auf sie zu, direkt in ihre Arme. Sie hielt ihn fest, minutenlang hielt sie ihn fest. Und während es weiter durch das Dach tropfte und der Himmel seine Tränenvorräte über ihnen ausgoss, fühlte sie sich leer und neu und unbeschwert. Sie nahm den Studenten bei der Hand.
    Am Hafen wartete niemand auf Linda. Sie schleppte ihre Tasche mit dem Laptop und den kopierten Unterlagen aus der Bibliothek zu Fuß zum Haus hinauf. Das Auto stand auf seinem Platz neben der Escaloniahecke. Pharao rannte durch den Garten auf Linda zu, sprang an ihr hoch. Vorsichtig sperrte sie die Tür auf. Daniel hatte abgeschlossen, den Schlüssel abgezogen. In der Küche war das Radio an. Sonst hörte sie nichts.
    Daniel lag auf dem Rücken wie ein Toter, seine nackten Zehen schauten unter der Decke hervor. In seinen zum Gebet gefalteten Händen hielt er das große Fleischmesser aus der Küche. Wie ein Schwert ragte es zur Decke. Er brabbelte Drohungen. Sie verstand nicht, wen er umbringen wollte, wahrscheinlich war es ihm selbst nicht klar. Neben dem Bett standen leere Flaschen, Wein, Jack Daniels, keine gute Mischung.
    Sie sah sich nach Tabletten um.
    Polizistin, schimpfte er und torkelte aus dem Bett.
    Er ging durch das Haus und redete mit sich selber, redete mit der Welt. Er erklärte, wie er sich die Pulsadern aufschneiden wollte, der Länge nach. Sie nahm ihm das Messer aus der Hand. Er weinte. Er rollte heulend auf dem Boden. Und sie schämte sich, und sie wurde wütend.
    Er hat mich verloren, ich habe kein Mitleid mehr, redete sie sich ein, ich bin schlecht, und ich werde gehen.
    Als er sich aufrappelte, schlug sie ihn, sie schlug ihn mitten ins Gesicht. Er heulte auf, dann packte er sie.
    Du bist der gleiche Idiot wie dein Vater, stieß sie hervor.
    Sie hatte seinen Vater kaum gekannt. Der Satz hatte sich von selbst gesagt.
    Daniel warf den Ehering durch die Küche. Das Metall schepperte über den Holzboden. Daniel kroch ihm auf allen vieren hinterher, steckte ihn sich wieder an den Finger. Erst jetzt sah sie die frische Narbe an seiner Hand. Pharao hatte während ihrer Abwesenheit abermals zugebissen.
    Später fand Linda eine vergilbte Postkarte auf ihrem Schreibtisch, darauf war ein nacktes Paar abgebildet, das aus dem Fenster sah, im Hintergrund erkannte sie das Sacré-Cœur.
    Verlass mich nicht, hatte er geschrieben, ich liebe dich, dein Mann.
    Sie fragte sich, wie viele von diesen alten Postkarten aus Paris Daniel noch hatte.
    Vor dem Herd standen sie einander gegenüber, lauerten wie zwei Tiere. Daniel hatte Augenringe, sein Blick war verschleiert. Linda schämte sich für das Leid, das sie ihm angetan hatte. Ihm, der sie bis zur Verzweiflung liebte. Ihm, der sie hundert Mal hätte betrügen können, wie er immer wieder betonte, und der es kein einziges Mal getan hatte. Sie schämte sich, und dann holte sie abermals zu einer Rechtfertigung aus. Er glaubte ihr kein Wort. Mit jeder weiteren Erklärung festigte sie seinen Verdacht.
    Später lag er neben ihr im Bett und weinte, lag schwer in ihren Armen, seine Haut bleich und von einem kalten Schweißfilm überzogen, er hatte Angst. Reglos klammerte er sich an sie. Sie tröstete ihn, wie man ein Kind tröstet.
    Ich werde sein Haus nicht lebendig verlassen, dachte sie.
    Der Bluterguss an ihrem Oberschenkel pochte. Nein, er hatte sie nicht geschlagen.
    Selber schuld!, hatte er geschrien, weich doch aus, wenn etwas geflogen kommt!
    Sie habe zu wenig Selbstvertrauen, warf er ihr vor, sie müsse ihm eben standhalten. Sie sei selber schuld, wenn sie sich alles gefallen lasse.
    Linda wartete, bis Daniel eingeschlafen war. Dann ging sie in die Küche, zählte die Messer und legte sich wieder zu ihm ins Bett.
    Am nächsten Morgen heizte Daniel den Ofen ein. Linda setzte sich
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