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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman
Autoren: Reber Sabine
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und dass ihm alles an ihr auf die Nerven gehe. Dass er ihre Stimme nicht mehr ertrage, dass ihre Schritte wie Elefantengetrampel durch das Haus hallten. Dass sie beim Kochen mit den Töpfen klapperte, dass der Herd noch nicht sauber war, wenn sie das Essen anrichtete. Dass sie beim Einkaufen zu viel Zeit vertrödelte, zu teures Hundefutter wählte, mit zu vielen Leuten redete.
    Mitunter stand sie an der Kasse im Dorfladen und überlegte, wie sie die zehn Minuten rechtfertigen sollte, die sie beim Anstehen verlor. Das Schlimmste war nicht seine Eifersucht. Sondern was die in ihrem Kopf anrichtete.
    Hau doch ab, schrie er, heirate einen Skilehrer! Du mit deinem Schneefimmel! Oder zieh zu Pat, der freut sich bestimmt. Aber geh mir aus den Augen!
    Wenn er im Streit sagte, sie solle endlich aus seinem Leben verschwinden und ihn in Ruhe lassen, dachte sie noch tagelang darüber nach, wie sie das bewerkstelligen, wohin sie gehen könnte. Er aber verlangte prompt, dass sie zu ihm ins Bett komme. Er legte ihr weiterhin alte Karten aus Paris auf den Schreibtisch. Aber sie konnte die verletzenden Sätze nicht vergessen. Auch wenn sie sich längst versöhnt hatten, klangen die Beleidigungen nach. Er legte sich alles so zurecht, dass er unschuldig war, unschuldig vor ihr und vor sich selber und vor einem imaginären Publikum, an das er sich im Suff wandte.
    Das war aber nicht ich, sagte er und deutete auf ihre Beulen. Und sie pflichtete bei, entschuldigte sich, sie sei gegen eine Tür geprallt.
    Sie erstickte an ihrem eigenen Versagen. In jedem Streit haute er ihr Fehler um die Ohren. Sie schwor sich, besser zu werden, vergeblich. Er hatte ihre Unsicherheit zu seiner Waffe gemacht.
    Ich sehe dir an, dass du Angst hast, sagte der Arzt, und jetzt geh. Verlass ihn, bevor noch mehr passiert.
    Ich habe ihn geliebt!, wollte Linda einwenden.
    Sie nahm ihre Medikamente und verließ die Praxis.
    Sie habe sich alles eingebildet, sagte Daniel.
    Zu gerne wollte Linda das glauben. Sie schwieg. Wenn sie nur lange genug so tat, als sei nichts geschehen, würde sie eines Tages unberührbar werden. Wenn er seinen wenigen verbliebenen Bekannten am Telefon von ihrer glücklichen Ehe erzählte, schöpfte sie Hoffnung und gab sich selber noch ein Stück weiter auf. Sie zog den Kopf ein, sie duckte sich. Sie versuchte, alles recht zu machen. Den Haushalt geräuschlos zu führen. Keine Angriffsfläche zu bieten.
    Sie saß in ihrem Versteck, ihr Bein schmerzte. Sie sei selber schuld, sie hätte ausweichen müssen. Und falls es jemanden interessiere, sei der Fall sowieso klar: Sie habe sich alles eingebildet. Inzwischen wüssten ja alle, dass sie eine Verrückte sei, paranoid, schizophren und was ihm gerade noch an Fachwörtern einfiel, so genau nahm er das nicht. Wenn sie nur baldigst aus seinem Leben verschwände.
    Nur das Meer antwortete auf Lindas Klagen. Schafe blökten gegen den Wind an, im Turm hörte sie nichts als ihre eigene Stimme, von den Wänden dumpf zurückgeworfen.
    Linda drehte den I-Pod lauter, um Daniels Worte auszublenden, sein Fluchen, das prompt einsetzte, sobald er mit dem Frühstück fertig war, die ständigen Fragen auch und die Anweisungen, die er durch die dünne Wand herüberrief – immer wieder aus dem Konzept gerissen zu werden, weil er glaubte, ein Computerproblem sei aufgetreten, sie müsse das Telefon abheben oder Pharao die Türe aufmachen, damit Daniel ungestört seine Mailbox bearbeiten konnte. Sie weigerte sich, ihn zu beachten.
    Und dann meinte Daniel zu sterben, lag wimmernd auf dem Boden, hielt sich den Kopf, hielt sich den Bauch, behauptete, seinen Arm nicht mehr bewegen zu können, nichts mehr zu sehen.
    Entscheide dich, ob du einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag hast, sagte sie, dann lasse ich den Notarzt kommen.
    Wie oft hatte sie mitten in der Nacht die Ambulanz gerufen, nur um zuzusehen, wie er beim Eintreffen der Sanitäter vom Boden, vom Bett oder vom Klo aufsprang, je nachdem, wo ihn das imaginäre Unheil ereilt hatte. Noch mehr als vor dem Sterben fürchtete er sich davor, ins Krankenhaus gebracht zu werden, wo man ihm womöglich eine Infusion legen oder eine Spritze zumuten würde.
    Daniel warf ihr vor, dass sie sich nur noch um die Piratin kümmerte und nicht mehr für ihn sorgte. Er warf ihr vor, dass es schon wieder nichts zu essen gab, dass er schon wieder einen Abend allein mit seinem Wein verbringen musste.
    Ich habe keine Lust auf deinen Wein, sagte Linda.
    Du hast überhaupt keine Lust mehr
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