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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman
Autoren: Reber Sabine
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warf ihren Anker aus.
    Sie hörte die Wachmänner, die in Dreiergruppen durch die Gänge des Turms patrouillierten. Bei der Schichtablösung verständigten sie sich mit Handschlägen, rasselten mit ihren Säbeln und Schildern.
    Granuaile musste ihnen Manieren beibringen, sonst würde sie keinen ruhigen Schlaf finden auf ihrer Insel.
    Sie hatte ihren Männern befohlen, am Hafen zu warten.
    Die Leibwächter traten zurück. Nicht einmal Tuathal Bourke, ihr Vertrauter und Kapitän der ersten Galeere, durfte sie begleiten.
    Sie wollte die Burg allein betreten, schließlich hatte sie vor, allein in ihr zu leben.
    An Bord hatte sie keinen Raum für sich – der Platz war so knapp bemessen, dass sie die Nächte zusammen mit den Männern unter Deck verbrachte. Sie schlief in ihren Kleidern, sie pinkelte über die Reling wie ein Mann. Die Entbehrungen machten ihr nichts aus. Sie fuhr zur See, um zu kämpfen, zu gewinnen.
    In den Turm zog sie sich zurück, um ihre Kräfte zu sammeln und nachzudenken.
    Fünfhundert Augenpaare verfolgten ihren Weg durch den Nieselregen, sahen zu, wie ihre Führerin das Bündel und den Käfig mit dem zahmen Falken durch den Nebel zur Burg hinübertrug und im Turm verschwand.
    Durch kniehohes Gras war sie auf das Tor zugeschritten, hatte Bündel und Vogel auf den Boden gestellt und mit beiden Händen am Griff gezerrt, der vom Salz festgebacken war. Hatte das schmiedeeiserne Tor mit aller Kraft aufgerissen. Hatte ihr Bündel und den Käfig mit ihrem Falken durch Brennnesseln und Brombeerranken im Innenhof getragen, die ihr bis an die Hüften reichten, und war auf die schwere Eichentür zugegangen.
    Drei Kinder musste sie gebären und weggeben, ein Flaggschiff musste sie verlieren, ihren ersten Mann musste sie überleben, um in ihren Turm zurückzukehren.
    Aber nun war sie wieder hier.
    Und wartete auf den nächsten Morgen.
    Granuaile hatte den Lederbeutel mit ihren Habseligkeiten auf den Steinboden fallen lassen.
    Hatte mit tiefer, heiserer Stimme zum Vogel gesprochen:
    Ich werde dich freilassen, meine Insel gehört auch dir. Als ich Kind war, lebten wilde Falken auf den Felsen an der Westflanke von Cnoc More.
    Finde sie, vermehre dich.
    Clare Island soll den Falken gehören.
    Und mir.

Der Weg war schmal und steinig. Linda strauchelte mit ihren nackten Füßen, stieß die Zehen gegen Schotter. Daniel fing sie auf, reichte ihr die Hand. Sein Wollpullover war kratzig und dumpf wie das Fell eines Hundes.
    Selber gestrickt, fragte sie.
    Er nickte. Der Regen ließ nach, die Gewitterwolken zogen gegen das Festland. Ein Regenbogen entfaltete sich über ihnen, ein zweiter, schwächerer folgte in seinem Innern.
    Die sind für uns, sagte Daniel, die stehen genau über meinem Haus.
    Das Cottage kauerte in einer Senke, zwischen Kamm und Klippen an die Bergflanke geduckt, dem Wetter nah und beinahe flügge. Zwei zerzauste Palmen flankierten die Einfahrt. Aus dem Kamin stieg bernsteinfarbener Torfrauch, mischte sich mit dem Wind. Linda atmete tief ein. Die Luft war weich und würzig. Der Wind strich feucht um ihre Schultern, fuhr in ihr langes Haar, hüllte sie ein. Sie leckte sich die Lippen, schmeckte Salz. Sie dachte an Makrelen mit Orangen und Senf, an Kardamom und Koriander und Zimt. So riecht Heimat, dachte sie, nach geräuchertem Fisch und nach Weihnachtsgebäck. Das Cottage wurde zum Knusperhäuschen, sie war ein Kind, sie war Gretel. An Hänsels Hand ging sie auf das Haus zu, leichten Herzens, leichten Mutes.
    Die Regenbogen irisierten auf den nassen Schieferziegeln, das Knusperhäuschen schien abzuheben über der Wiese, eine Illusion, den Wolken nach.
    Linda setzte sich auf die Küchenbank, die Daniel aus Tannenbrettern gezimmert hatte, zog die Knie an. Ihre Haare fielen ihr nass ins Gesicht. Sie fröstelte. Daniel schob Torf ins Feuer, setzte Teewasser auf. Er gab drei Beutel kenianischen Schwarztee in die Kanne, goss kochendes Wasser darüber, stellte die Kanne auf den Herd, rührte um. Er reichte ihr die Tasse, stellte Zucker auf den Tisch, goss Milch in ein Porzellankännchen.
    Linda fror noch immer.
    Er streifte ihr seinen feuchten Wollpullover über. Alles war jetzt feucht und warm wie in der Höhle eines Tieres. Sie hüllte sich in seinen Geruch, Tee und Torf und Schweiß, und fühlte sich aufgehoben.
    An der Tür hörten sie ein Scharren.
    Daniel machte auf. Ein schwarzweiß gefleckter Collie kam hereingetrottet, schüttelte sich.
    Pass auf, sagte Daniel, er beißt.
    Wie heißt er?
    Pharao,
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