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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland
Autoren: Heinz G. Konsalik
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des Bootes wie ein dünnes Hölzchen gebrochen und weggerissen worden. Als wolle das Meer ihn verhöhnen, so hatte es die vertäuten und gerefften Segel wieder aufgebläht. Wie ein Riesenvogel war der Mast im Sturm dahingeflogen, weiß und leuchtend, wie schwerelos, wie in Ekstase tanzend und über die schäumenden Wellen taumelnd, bis er in einem Wassertal verschwand. Mit weiten Augen hatte Losskow diesem Schauspiel zugesehen. Nun fühlte er sich mit seinem unsinkbaren Kunststoffboot nicht mehr als Herr der See. Jetzt wartete er nur noch darauf, daß eine dieser Riesenwellen ihn erdrückte. Nach zwei, drei Tagen würde man den treibenden weißen Bootsrumpf sichten und einen zerquetschten toten Mann aus den Gurten lösen, in einem Spezialanzug aus orangefarbenem Nylon, der ihn nie hätte ertrinken lassen. Aber er war ja auch nicht ertrunken, er war erschlagen worden von der wütenden See.
    Wieder zog Losskow den Kopf tief in die Schultern. Eine Wasserwand stieg vor ihm auf, verdeckte den Himmel. Das ist es, dachte er, das ist das Ende. Diesmal wird mir der Druck die Lungen zerreißen.
    Ein Sog riß ihn empor, trug ihn der Wand entgegen, ließ ihn den Wasserberg hinaufklettern, hoch oben auf dem Kamm der Riesenwelle schwebte er, sah unter sich das Meer und einen von wilden Zacken zerrissenen Horizont. Er schien zu fliegen, vom Sturm davongetragen wie der Mast mit den Segeln, und während er mit letzter Kraft die Haltestange vor sich umklammerte, nahm er noch einmal dieses Bild in seiner ganzen erschreckenden Schönheit auf und stürzte hinunter in den tosenden Schlund, während das Boot sich mit ihm drehte wie ein Kreisel. Aber noch beim Eintauchen in das kochende Meer dachte er: Ich bin unsinkbar … Das Boot richtet sich von selbst auf … Dann war das Meer über ihm, und die Welt ging unter.
    Zwei Tage nach dem Sturm sichtete ein Hubschrauber der Bundesmarine das kleine weiße Boot in der noch immer aufgewühlten See, 37 Meilen nördlich von Helgoland treibend. Der Seenot-Rettungskreuzer holte es ein und hakte einen besinnungslosen Mann vom Ruderblock. Er gab noch schwache Lebenszeichen von sich, war äußerlich unverletzt, aber die Unterkühlung war so stark, daß auch die sofortige Überführung mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus von Wilhelmshaven kaum noch eine Chance zum Überleben bot.
    Dr. Faller, der abends an seinem Stammtisch in einem Lokal auf dem Oberland von der Rettung erfuhr, sagte nur: »Ein Gutes hat dieser selbstmörderische Unsinn: Wenn von Losskow durchkommt, wird er seinen Plan von der Weltumseglung in die Mülltonne werfen!«
    Peter von Losskow überlebte.
    Man wendete, um ihn zu retten, die Methode der raschen Erwärmung an, hob ihn in ein heißes Bad und schloß, um den Wiedererwärmungskollaps auszuschalten, gleichzeitig eine langsame Infusion von 500 ml Rheomakrodex an. Als, wie erwartet, Herzflimmern auftrat, injizierte man 40 mg Dipyridamol und konnte dann nur noch warten, ob Losskow stark genug war, diese Belastung zu überstehen. Als man ihn aus der Nordsee fischte, war er um 12 Grad unterkühlt gewesen – mehr hält der menschliche Organismus nicht aus.
    Es dauerte dreißig Stunden, bis Losskow voll ansprechbar war und seine Körpertemperatur sich normalisiert hatte. Er lag in einem Einzelzimmer, trank heißen Tee mit Rum, knabberte an einem Butterkeks und hörte sich an, was Professor Dehner, der Chefarzt, ihm sagte. Es klang, wie erwartet, nicht allzu liebenswürdig, ganz so, als habe Dr. Faller dem Professor seine Worte in den Mund gelegt.
    »Ich weiß«, sagte Losskow, als der Arzt seine Philippika beendet hatte, »ich bin ein Spinner! Aber ich habe bewiesen, daß ich unsinkbar bin!«
    »Ob einer ersäuft oder als Eisblock in den Wellen treibt – wo ist da der Unterschied, abgesehen vom äußeren Erscheinungsbild?« polterte Dehner. »Dabei ist das Meer noch gnädig. Wenn Sie in der Südsee über Bord gehen, ist das Wasser zwar relativ warm, aber das ist keine Lebensversicherung. Ihr Spielanzug schützt Sie nicht vor Haien! Aber wem erzähle ich das! Sie kennen doch alle Meere.«
    »So ziemlich.«
    »Und das rettet Sie nicht vor solchen Dummheiten?«
    »Darf ich Sie etwas fragen, Herr Professor?«
    »Aber sicher.«
    »Wieviel Patienten sind Ihnen unter den Händen gestorben?«
    »Was soll das?« fragte der Professor indigniert.
    »Und trotzdem berühren Sie mit diesen Händen weiterhin Kranke und geben nicht auf, gegen die Krankheiten zu kämpfen. Mal sind die Viren, Bazillen
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