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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland
Autoren: Heinz G. Konsalik
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etwas Gelbes treiben und fragte den Koch ahnungslos: »Gibt es eigentlich gelbe Wale?«
    »Frag nicht so dämlich!« schimpfte der Koch.
    »Es gibt weiße Wale, warum keine gelben? Draußen ist einer. Ich habe seinen Kopf gesehen.«
    Nach dieser Feststellung gab der Kapitän Alarm und drehte bei. Mit Volldampf lief die Liberté auf den gelben Fleck zu, bis der 1. Offizier nüchtern sagte:
    »Steuerbord voraus eine Rettungsinsel.« Er setzte das Fernglas ab und wischte sich über die Augen. »Mein Gott, hier eine Insel! Ich ahne, was wir da vorfinden werden.«
    Und eine Stunde später, nach zwei großen Kognaks, die er nötig hatte, als man die drei Körper abwusch und mit Bandagen und Salben umwickelte, fügte er mit belegter Stimme hinzu: »Es ist unfaßlich, was Menschen aushalten können.« Und mit einem langen Blick auf die drei Geretteten, die in tiefem Schlaf lagen: »Sie werden nie wieder die sein, die sie vorher waren. Wenn sie überhaupt noch durchkommen.«
    Sie kamen durch.
    Sechs Wochen lagen sie in Buenos Aires im Hospital, nachdem ein Flugboot sie von der Liberté abgeholt hatte. Sie lagen in einem Zimmer, links Helena, rechts Lucrezia, in der Mitte Losskow. Gemeinsam machten sie die ersten Schritte, gemeinsam gingen sie hinaus in den Klinikpark.
    Dieter Randler hatte seine größte Zeit als Reporter. Seine Berichte bewegten die Leser, der dicke Pfeiffer schnaufte vor Begeisterung. Es kam sogar zu einem Ärztestreit über die Möglichkeiten von Spätschäden und zu einer Anfrage in der Zeitung, die Pfeiffer groß herausstellte:
    ›Soll man mit Menschen, die so mit ihrem Leben spielen, Mitleid haben und sie bewundern, oder soll man sie ihrem Schicksal überlassen? Wieso sind das Helden? Hat in unserer Zeit nur noch das Extreme Wert? Die Helden von Feuerland? Nein: die Gottversucher von Feuerland.‹
    »Das ist eine Jahrhundert-Story«, jubelte Pfeiffer. »Daraus bauen wir uns hier in Hamburg was zurecht! Randler, dieser lahme Arsch! Schickt uns Krankenberichte! Die Problematik muß an die Luft: Wie wird Idiotie zum Heldentum? Da kann man eine schöne Schleife ziehn zum Krieg …«
    Der Staatsanwalt von Buenos Aires schloß die Akten über den Fall Jan Trosky. Die Aussagen waren nicht zu widerlegen: Trosky war in einem Anfall von Wahnsinn ins Meer gesprungen und abgetrieben. Wer die drei Überlebenden kurz nach der Landung gesehen hatte, verstand sofort, daß ein Mensch unter solchen Umständen die Grenze zum Nichts überspringen konnte.
    Es war ein sonniger Herbsttag, als Losskow, Helena, Lucrezia und Randler in Hamburg landeten. Im Flughafen Fuhlsbüttel stauten sich die Journalisten, wartete das Fernsehen auf den großen Auftritt der drei.
    Lucrezia blickte mit großen, schwarzen, aber hohlen Augen um sich, setzte sich in einen tiefen Sessel, ließ sich fotografieren, erwiderte alle Fragen nur mit einem Kopfschütteln und schlug dann die Hände vor ihr Gesicht.
    Helena winkte müde ab. »Ich habe nichts zu sagen!« rief sie in die Mikrofone. »Ich lebe, das allein ist mir wichtig!«
    Losskow sah sich nach allen Seiten um. Die Fernsehkameras waren auf ihn gerichtet, Fotoapparate klickten wie Schnellfeuer, die Mikrofone umringten ihn wie Schlangenköpfe.
    »Zunächst die wichtigste Frage: Wie fühlen Sie sich?« Der Fernsehreporter strahlte Losskow an, als sei er eine barbusige Diva.
    »Beschissen!« antwortete Losskow laut.
    Die Journalisten lachten. »Eine eindeutige Antwort!« Die Fernsehkameras schwenkten groß auf Losskows mageres Gesicht. »Was war Ihr größtes Erlebnis auf dieser Reise?«
    Losskow lächelte sarkastisch. Das größte Erlebnis? Das wagen die zu fragen? Er musterte die Leute: glatte, satte Gesichter, wohlgeformte Masken, gierig nach Sensationen, weil das eigene Leben so stinklangweilig war.
    »Mein größtes Erlebnis? Der Mensch ohne Maske«, sagte Losskow ruhig. »Der völlig nackte Mensch, von dem alles abfällt, was wir voller Stolz Menschlichkeit zu nennen pflegen. Der Mensch im Zustand Null! Begreifen Sie das?«
    »Nein!« sagte der Fernsehreporter.
    »Das habe ich mir gedacht!« Losskow hob beide Arme und fegte mit einem Rundumschlag alle Mikrofone von sich. »Wir alle sind Bestien!« Er boxte sich durch die Menge, ging zu Lucrezia, zog sie behutsam aus dem Sessel und drückte sie an sich. Helena faßte sie an der anderen Seite.
    »Platz!« sagte Losskow hart und laut. »Wir wollen 'raus! Es gibt keine Antworten mehr.«
    Im Hintergrund lief die Livesendung des Fernsehens
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