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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan
Autoren: Oliver Henkel
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Geheimpolizist hinab. Er hatte den Fuß noch nicht auf den Boden gesetzt, da wummerten Schläge an der Tür; Schutzmänner, vermutlich durch die Schüsse auf den Plan gerufen, verlangten nach Einlass. Stieber musste sich etwas einfallen lassen und ihm kam die rettende Idee. Er drückte Weaver seinen Revolver in die Hand. Danach verbarg er sich hinter den nahebei stehenden Kisten. Wenn alles eindeutig darauf hinwies, dass die beiden Männer sich gegenseitig erschossen hatten, würde man keine weitere Person im Lagerhaus vermuten. So suchte niemand nach ihm und er konnte warten, bis sich eine Gelegenheit ergab, unbehelligt das Gebäude zu verlassen.
    Holz splitterte. Die Polizisten brachen die Tür auf.
    Stieber duckte sich tief hinter die Kisten und verhielt sich still.
     
    »Und als später die Aufmerksamkeit aller auf die Leichen gerichtet war, kam ich aus meinem Versteck und gesellte mich zu Ihnen, als wäre ich gerade erst in das Lagerhaus gekommen«, schloss Stieber seine Schilderung der Ereignisse ab. »Ein wenig dreist, aber wirkungsvoll, wie Sie eingestehen müssen.«
    Pfeyfer brauste erbost auf. »Sie wollen mir allen Ernstes weismachen, dass Fritz, Friedrich Heinze, der Verräter war? Eine weitere Ihrer schamlosen Lügen, weiter nichts!«
    »Oh, Sie tun mir bitter unrecht, Herr Major«, widersprach der Geheimpolizist in gespielter Verletztheit. »Am folgenden Morgen konnte ich Einlass in Heinzes Wohnung erlangen, indem ich mich als Advokat ausgab. Ich musste alle Schriftstücke finden und beiseiteschaffen, in denen er seine Zugehörigkeit zu den NeitherNors erwähnte und vielleicht sogar die Namen einiger seiner Gesinnungsgenossen nannte. Hätten Sie nämlich diese Informationen entdeckt, wäre die ganze ehrenwerte Gesellschaft binnen weniger Tage zerschlagen worden. Das durfte ich natürlich nicht zulassen, ich benötigte die NeitherNors ja noch für meine Pläne. Aber das nur nebenbei. Unter anderem fiel mir bei meiner Suche dies in die Hände.«
    Aus der Rocktasche holte er ein nicht sehr großes, dafür fast zwei Zoll dickes Buch mit abgestoßenem braunem Ledereinband. »Hauptmann Heinzes Tagebuch«, kommentierte Stieber und warf es salopp Pfeyfer zu; der verdutzte Major konnte es gerade noch fangen.
    »Faszinierende Lektüre. Er fühlte sich ständig übergangen. Und ausgerechnet Sie wurden stets vor ihm befördert, Sie erhielten Auszeichnungen und Belobigungen, während er leer ausging. Irgendwann gelangte er zu der Überzeugung, dass in Karolina die Neger bevorzugt wurden. Und daraus wurde eine fixe Idee. Als er schließlich durch Zufall Kontakt zu NeitherNors fand, war sein weiterer Weg vorgezeichnet. Er schloss sich denen an, die er eigentlich bekämpfen sollte. Traurig, traurig, traurig. Mir kommen die Tränen.«
    Pfeyfer brachte keinen Laut hervor. Verstört betrachtete er das Buch in seinen Händen und traute sich nicht, es aufzuschlagen.
    »Ich verabscheue Sie!«, schleuderte Amalie dem Geheimpolizisten entgegen.
    »Wie ungerecht von Ihnen, Fräulein von Rheine«, verwahrte sich Stieber amüsiert. »Sie alle vier sollten mir vielmehr dankbar sein.«
    »Dankbar? Dankbar wofür?«, platzte Rebekka wütend heraus.
    »Was für eine Frage. Immerhin bedenkt der Kronprinz Sie, übrigens auch gegen meinen Rat, ja mit reichlich bemessenen Aufmerksamkeiten. Sie, meine Damen, erhalten doch zum Dank dafür, dass Sie Seine Hoheit unter größter persönlicher Gefahr vor der Verschwörung warnten, die ausdrückliche Erlaubnis, unter voller Wahrung Ihres Status als Staatsdienerinnen die Ehe einzugehen. Herr Doktor Täubrich bekommt Titel und Würden eines ordentlichen Professors verliehen, weil er mit Einsatz seines Lebens zu verhindern trachtete, dass die preußische Flagge durch einen schändlichen und skrupellosen Waffenschmuggel unerhörten Ausmaßes entehrt wird. Sie aber, Herr Major« – er wandte sich Pfeyfer zu, der noch immer sichtlich mit der Erkenntnis von Heinzes wahrem Wesen zu kämpfen hatte –, »erringen den Hauptgewinn. Für Ihren heroischen Einsatz werden Sie zum Oberst befördert. Und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Sie nicht in absehbarer Zeit Generalsepauletten erhalten. Sie sind jetzt ein amtlich anerkannter Held. Und als solcher können Sie endlich guten Gewissens Ihr Adelsprädikat verwenden. Ohne mich hätten Sie nichts davon erlangt. Darf ich da nicht ein gewisses Maß an Dankbarkeit erwarten?«
    »Meine Dankbarkeit Ihnen gegenüber, Herr Stieber«, sagte Pfeyfer leise und
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