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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan
Autoren: Oliver Henkel
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Umständen sogar den Krieg gewinnen können. Und Sie wissen so gut wie ich, dass eine siegreiche Konföderation sich eher früher als später Karolina einverleiben würde, mit arithmetischer Zwangsläufigkeit. Dagegen könnten wir gar nichts tun. Nicht über einen Ozean hinweg.«
    Stieber trat ans Fenster, sah beiläufig zum regenverhangenen Himmel auf und schüttelte den Kopf.
    »Ärgerlich. Ich hasse Schiffsreisen ohnehin, aber bei so unfreundlichem Wetter sind sie mir vollends ein Graus. Wo war ich stehen geblieben? Nun, seine Exzellenz Ministerpräsident von Bismarck und Kriegsminister Roon stimmten darin überein, dass Karolina nicht abhandenkommen darf, weder auf die eine noch auf die andere Weise. Denn ein solcher Verlust würde Preußens Prestige bei den Staaten des Deutschen Bundes irreparabel beschädigen und sein Gewicht auf unabsehbare Zeit erheblich einschränken. Zudem würde Herr von Bismarck wohl zum Rücktritt genötigt werden. Diese Aussichten behagten ihm keineswegs, da er noch einige Pläne hegt, die er nicht durch den Verlust einer zweitrangigen Provinz zunichtegemacht sehen möchte. Darum wünschte er, dass ich mich des Problems annehme.«
    Täubrich stieß ein kurzes, galliges Lachen aus. »Das ist es also. Sie wollten die Südstaatler dazu verleiten, vorzeitig über Karolina herzufallen. Und zwar nur, um den Menschen hier jeglichen Drang nach einer Abspaltung von Preußen und einer Hinwendung zur Konföderation auszutreiben. Ist es nicht so? War das ihr infames Kalkül?«
    Das Lächeln auf Stiebers Lippen wuchs zu einem Grinsen; mit einer Geste deutete er Applaus an.
    »Sehr gut, Herr Doktor, wirklich begabt. Ja, es ging einzig darum, den Bewohnern Karolinas so brutal wie möglich vor Augen zu führen, was sie vom Süden zu erwarten haben. Die ganze Charade mit diesem monströsen Schiff war dabei nur Mittel zum Zweck, um die Südstaatler zu locken. Zugegebenermaßen mit dem erquicklichen Nebeneffekt, dass die Konföderation dadurch ein Vermögen in Baumwolle verlor, was ihren Kriegsanstrengungen nicht zuträglich sein dürfte. Unnötig zu betonen, dass sie für ihre kostbare Baumwolle von uns niemals echtes Pulver oder Waffen erhalten hätten.«
    Täubrich schüttelte in ungläubigem Ärger den Kopf. »Jetzt behaupten Sie bloß noch, Sie wären stolz auf das, was Sie getan haben.«
    »Natürlich bin ich das«, ließ Stieber ihn mit der größten Selbstverständlichkeit wissen. »Karolina ist auf Generationen hinaus von Sezessionsgedanken kuriert. Durch die geplanten Attentate, vor denen ich Präsident Davis und General Lee beizeiten warnte, herrscht in der Konföderation nunmehr enormer Abscheu gegen die Nachfahren der exilierten NeitherNors, was diese Feinde Preußens ihres gesamten Einflusses beraubt. Davis hat übrigens den Kronprinzen bereits weitaus kniefälliger, als ich voraussah, um Verzeihung gebeten und geschworen, es habe sich um das eigenmächtige Vorgehen Abtrünniger gehandelt, nicht um einen Angriff durch die Konföderierten Staaten.«
    Nachdenklich fuhr Stieber sich über den Schnurrbart, weil er auf den einzigen Punkt gestoßen war, der sich seinem Verständnis entzog. »Ja, Davis’ Beteuerungen waren geradezu verzweifelt … Fast möchte man meinen, irgendwas erfüllte ihn mit enormer Angst. Wie dem auch sei, obwohl der Kronprinz offiziell Davis’ Bekundungen Glauben schenkte, bleibt der Friedrichsburger Hafen den Südstaaten fortan verschlossen. Und Präsident Lincoln veranlasst aus Dankbarkeit für diesen empfindlichen Schlag gegen die Rebellen, dass schon bald Baumwolle aus den besetzten Gebieten Louisianas und Mississippis in großen Mengen geliefert wird. Das gesamte Resultat ist makellos. Wieso also sollte ich nicht stolz sein?«
    »Weil Ihre selbstherrliche Intrige zwei von uns beinahe das Leben gekostet hätte und eine große Anzahl Unschuldiger tatsächlich zu Tode kam«, versetzte Amalie scharf. »Unter anderem Alvin Healey, an den Sie sich doch wohl erinnern.«
    »Healey? Bedauerlich, gewiss. Aber wenn sich das Räderwerk der Geschichte dreht, fällt halt immer ein wenig Abrieb an«, beschied Stieber sie mit einem Achselzucken.
    »Sie machen mich krank!«, fauchte Amalie mühsam beherrscht.
    »Nicht nur dich«, schloss Täubrich sich an. »Sie, Herr Stieber, erinnern mich an eine große Spinne, die in der Mitte ihres Netzes sitzt und genussvoll beobachtet, wie sich alle rettungslos in den Fäden verfangen.«
    Stieber blinzelte belustigt hinter seinen dicken
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