Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
Idioten. Natürlich falscher Alarm, aber zurzeit sind ja alle so hypersensibel, dass wir den ganzen Abend da hocken mussten. Samstag habe ich dann wieder versucht, die Frau meines Lebens zu finden, und Sonntag bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass es sie nicht gibt. Was ist bei den Verhören über den Bankräuber rausgekommen?« Halvorsen dosierte den Kaffee in einen Doppelfilter.
    »Nada«, sagte Harry und zog sich den Pullover aus. Darunter trug er ein koksgraues T-Shirt, das einmal schwarz gewesen sein musste, mit der beinahe vollkommen verwaschenen Aufschrift »Violent Femmes«. Mit einem Stöhnen sank er in seinen Bürostuhl. »Es hat sich niemand gemeldet, der den Gesuchten vor dem Überfall in der Nahe der Bank gesehen hat. Ein Typ ist aus dem 7-Eleven auf der anderen Seite des Bogstadvei gekommen und hat den Bankräuber die Industrigata hinauflaufen sehen. Er ist ihm wegen der Sturmhaube aufgefallen. Die Überwachungskamera außerhalb der Bank zeigt sie beide, als der Bankräuber den Zeugen vor dem Container neben dem 7-Eleven passiert. Das Einzige, was der Zeuge uns berichten konnte, und was wir noch nicht von der Kameraaufzeichnung wussten, ist, dass der Bankräuber bei seiner Flucht über die Industrigata zweimal die Straßenseite gewechselt hat.«
    »Ein Typ, der sich nicht entscheiden kann, welche Straßenseite er nehmen soll. Für mich hört sich das ziemlich uninteressant an.« Halvorsen platzierte den Doppelfilter in der Maschine. »Also mit ›e‹ und zwei ›s‹.«
    »Du weißt wohl nicht viel über Bankräuber, Halvorsen?«
    »Warum sollte ich? Wir sind für die Mörder zuständig. Sollen sich doch die Provinzler aus der Hedmark um die Räuber kümmern.«
    »Hedmark?«
    »Ist dir das im Raubdezernat noch nicht aufgefallen? Überall Dialekt und Strickjacken. Also, was ist der Clou an der Sache?«
    »Der Clou ist Victor.«
    »Die Hundepatrouille?«
    »Die sind in der Regel mit als Erste am Tatort. Ein erfahrener Bankräuber weiß das. Ein guter Hund kann einen Räuber verfolgen, der zu Fuß durch die Stadt flieht, aber wenn er die Straße überquert und ein Auto über seine Spuren fährt, verliert der Hund die Spur.«
    »Und dann?« Halvorsen presste den Kaffee mit dem Stempel nach unten und glättete die Oberfläche, indem er die flache Metallscheibe hin und her bewegte, was, wie er selbst meinte, die Profis von den Amateuren unterschied.
    »Das nährt den Verdacht, dass wir es mit einem erfahrenen Bankräuber zu tun haben. Und allein diese Tatsache reicht für die Annahme aus, dass unser möglicher Täterkreis dramatisch kleiner ist, als er es sonst wäre. Der Chef vom Raubdezernat hat mir gesagt, dass …«
    »Ivarsson? Ich dachte, ihr redet nicht so oft miteinander?«
    »Tun wir auch nicht, er hat zu der Sonderkommission gesprochen, zu der ich gehöre. Und in diesem Zusammenhang hat er gesagt, dass das Milieu in Oslo nur knapp hundert Personen umfasst. Fünfzig davon sind so doof, zugedröhnt oder mental kaputt, dass sie fast jedes Mal geschnappt werden. Die Hälfte davon sitzt ein, die können wir also vergessen. Vierzig sind gute Handwerker, die unterzutauchen wissen, wenn ihnen jemand bei der Planung geholfen hat. Und dann gibt es noch zehn echte Profis, die sich an Geldtransporter oder Großbanken wagen, bei denen brauchen wir richtig Glück, um sie zu überführen. Bei diesen zehn versuchen wir, ihren Aufenthaltsort immer zu kennen. Ihre Alibis werden heute überprüft.« Harry warf einen Blick zu Silvia, die vom Archivschrank fauchte. »Und dann habe ich am Samstag mit Weber von der Spurensicherung gesprochen.«
    »Ich dachte, Weber sei diesen Monat pensioniert worden.«
    »Da hat sich jemand verrechnet, das ist erst im Sommer.«
    Halvorsen lachte. »Dann hat er jetzt wohl noch schlechtere Laune als sonst.«
    »Jau«, sagte Harry, »aber nicht deshalb. Er und seine Leute haben nichts, aber auch gar nichts gefunden.«
    »Gar nichts?«
    »Keinen einzigen Fingerabdruck, kein Haar, nicht einmal eine Faser von seiner Kleidung. Und der Abdruck seiner Schuhe zeigt uns natürlich, dass die nagelneu waren.«
    »So dass man das Muster der Sohlen-Abnutzung nicht mit seinen anderen Schuhen vergleichen kann.«
    »Korrekt«, sagte Harry mit Betonung auf dem »o«.
    »Und die Tatwaffe?«, fragte Halvorsen, während er eine der Kaffeetassen zu Harrys Schreibtisch balancierte. Als er aufblickte, bemerkte er, dass Harry die linke Augenbraue bis zu seinem blonden Haaransatz hochgezogen hatte. »Sorry,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher