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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte
Autoren: Jo Nesbø
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Mordwaffe?«
    »Danke, nicht gefunden.«
    Halvorsen setzte sich an seinen Schreibtisch und nippte an seinem Kaffee. »Kurz gesagt ist da also ein Mann am helllichten Tage in eine gut besuchte Bank der norwegischen Hauptstadt marschiert, hat zwei Millionen eingesteckt und eine Frau ermordet und ist dann über eine nicht so bevölkerte, aber dennoch gut frequentierte Straße nur wenige Hundert Meter von der nächsten Polizeiwache entfernt davonspaziert. Und wir, die professionell bezahlten königlichen Polizeikräfte, haben nichts?«
    Harry nickte langsam. »Fast. Wir haben das Video.«
    »Das du jetzt, wie ich dich kenne, Sekunde für Sekunde auswendig kennst.«
    »Hm, jede Zehntelsekunde, denke ich.«
    »Und die Zeugenaussagen kannst du vermutlich Satz für Satz zitieren?«
    »Nur die von August Schultz. Er hat viel Interessantes über den Krieg erzählt. Er hat die Namen seiner Konkurrenten aus der Herrenmode aufgezählt, alles so genannte gute Norweger, die dann während des Krieges das Eigentum seiner Familie konfisziert haben. Er wusste exakt, was die jetzt alle so treiben. Aber, tja, dass da ein Bankraub abgelaufen ist, hat er nicht mitbekommen.«
    Schweigend tranken sie den Rest ihres Kaffees. Regen klatschte an die Scheibe.
    »Du magst dieses Leben, oder?«, fragte Halvorsen plötzlich. »Das ganze Wochenende allein in deiner Bude zu hocken und Gespenster zu jagen.«
    Harry lächelte, gab aber keine Antwort.
    »Ich dachte, du hättest mit deiner Eigenbrötlerei aufgehört, jetzt, da du familiäre Verpflichtungen hast!«
    Harry sah warnend zu seinem jüngeren Kollegen hinüber. »Ich weiß nicht, ob man das so sehen sollte«, sagte er langsam. »Wir wohnen ja noch nicht einmal zusammen, weißt du.«
    »Nein, aber Rakel hat einen kleinen Sohn, und das ändert doch wohl einiges, oder?«
    »Oleg«, sagte Harry und schob sich zum Archivschrank. »Sie sind am Freitag nach Moskau geflogen.«
    »Ach ja?«
    »Ein Rechtsstreit. Der Kindsvater will das Sorgerecht.«
     
    »Ach ja, stimmt. Was ist das eigentlich für ein Typ?«
     
    »Nun.« Harry richtete seinen Blick auf das Bild über der Kaffeemaschine. Es hing etwas schief. »Er ist ein Professor, den Rakel in ihrer Zeit in Moskau kennen gelernt und dann geheiratet hat. Er stammt aus einer alten, steinreichen Familie mit großem politischem Einfluss.«
    »Dann kennen die womöglich auch ein paar Richter?«
    »Bestimmt, aber wir glauben, es wird schon gut gehen. Der Vater ist wirklich verrückt und das ist allgemein nicht unbekannt. Intelligenter Alki mit verminderter Impulskontrolle, du kennst diese Typen.«
    »Ich glaube schon.«
    Harry blickte abrupt auf und sah gerade noch, wie Halvorsen sich das Lächeln von den Lippen wischte.
    Es war im Präsidium allgemein bekannt, dass Harry Alkoholprobleme hatte. Alkoholismus allein ist noch kein Kündigungsgrund für einen Polizeibeamten, wohl aber, betrunken im Dienst zu erscheinen. Nach Harrys letztem Zusammenbruch hatten sie in den oberen Etagen versucht, ihn zu kündigen, doch der Chef des Dezernats für Gewaltverbrechen, Polizeiabteilungschef Bjarne Møller, hatte wie üblich seine schützende Hand über Harry gehalten und die speziellen Umstände zur Sprache gebracht, die zu seinem Zusammenbruch geführt hatten. Nämlich dass das Mädchen auf dem Bild über der Espressomaschine – Ellen Gjelten, Harrys Partnerin und enge Freundin – mit einem Baseballschläger auf einem Weg am Akerselva-Fluss erschlagen worden war. Harry hatte wieder Boden unter die Füße bekommen, doch der Verlust von Ellen war eine Wunde, die ihn noch immer schmerzte. Insbesondere da die Sache nach Harrys Meinung noch immer nicht aufgeklärt war. Als Harry und Halvorsen genug Indizien gegen den Neonazi Sverre Olsen gefunden hatten, war Hauptkommissar Tom Waaler überraschend schnell bei dem Verdächtigen aufgetaucht, um ihn zu verhaften. Olsen hatte dabei einen Schuss auf Waaler abgefeuert, der das Feuer erwidert und Olsen erschossen hatte. Das Feuergefecht stand in Waalers Bericht und weder die Funde am Tatort noch die Untersuchungen der polizeiinternen Behörde SEFO hatten andere Schlüsse erlaubt. Auf der anderen Seite war man sich nie über Olsens Motiv klar geworden. Der einzige Hinweis war, dass Olsen in den illegalen Waffenhandel verstrickt war, der Oslo in den letzten Jahren mit Handfeuerwaffen überschwemmt hatte, und dass Ellen auf seine Spur gekommen war. Doch Olsen war bloß ein Handlanger gewesen, und wer wirklich hinter der
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