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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir
Autoren: Richard Schwartz
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Lanzensergeanten, der nicht im Traum daran gedacht hätte, einfach so zu gehen, trat zur Seite an ein Schreibpult und tauchte seine Feder in das stets bereitstehende Tintenfass. Schnell schrieb er ein paar Zeilen und reichte dann das abgedeckte Schreibbrett an den Lanzensergeanten zurück. »Lasst dies zum Ständetor durchgeben. Sie sollen einen Läufer zur aldanischen Botschaft schicken. Danke, Sergeant.«
    »Ay, Ser!«, antwortete der, salutierte erneut und eilte davon. Orikes sah ihm nach und schmunzelte. Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie er sich gefühlt hatte, als er zum ersten Mal seinem obersten Vorgesetzten gegenübergestanden hatte.
    Dafür hatte sich der Mann bewundernswert gehalten, ihm selbst war damals vor Nervosität das Schreibbrett aus der Hand gefallen.
    Langsam schloss er die Tür, lehnte sich von innen gegen das Türblatt, und das Schmunzeln verging. Nach Jahrhunderten gab es endlich wieder eine Eule in Askir. Und obwohl er selbst wusste, wie viel harte Arbeit es gebraucht hatte, und obwohl sie ihn selbst darum gebeten hatte, zögerte er noch.
    Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie er Desina das erste Mal gesehen hatte, ein kleines Mädchen mit feuerroten kurzen Haaren, Sommersprossen und einem trotzigen Gesichtsausdruck. »Der da«, hatte sie gesagt und mit dem Daumen auf den Lanzenleutnant der Bullen gezeigt, dessen gepanzerte Hand schwer auf ihrer zierlichen Schulter lag, »soll mich loslassen! Ich hab’ nichts getan!« Und mit diesen Worten hatte sie sich unter der Hand des Bullen weggewunden und ihm vors Schienbein getreten. Unter dem schweren Panzer hatte der Mann wahrscheinlich nicht einmal etwas davon bemerkt, aber auch damals war es ihr wohl schon ums Prinzip gegangen.
    Von harten, gepanzerten Händen in das große Arbeitszimmer eines Obristen geführt zu werden, und das auch noch in der Zitadelle mitten im Herzen Askirs, hatte schon gestandenen Männern die Knie zittern lassen, sie jedoch hatte wenig beeindruckt ausgesehen, als sie sich die Schulter rieb und neugierig umsah. Orikes hatte dem Mann ein Zeichen gegeben, dieser war zurückgetreten, hatte salutiert, den Raum verlassen und leise die Tür geschlossen.
    »Weißt du, wer ich bin?«, hatte Orikes gefragt.
    »Ihr müsst eine Feder sein«, lautete ihre Antwort. »Ihr habt viele Bücher. Wo bekommt man nur so viele Bücher her?«
    »Weißt du, was eine Eule ist?«, fragte er sie schmunzelnd.
    Sie sah ihn verwundert an. »Natürlich weiß ich das. Ihr meint ja nicht den Vogel. Aber ich habe nichts gestohlen. Die Würste lagen da so herum. Ehrlich«, sagte sie und sah ihn mit großen grünen Augen ganz unschuldig an.
    »Weißt du auch über den Eulentaler Bescheid?«, fragte Orikes und nahm eine silberne Münze aus einer Schatulle. Er hielt sie hoch, sodass sie die Prägung der Eule sehen konnte.
    »Ja«, sagte sie und schaute ihn misstrauisch an. »Deshalb ging ich ja rein in den Turm. Aber da war keine Tür!«
    »Genau deshalb hat man dich hergebracht.« Orikes lächelte und kniete sich vor ihr hin. »Hast du Lust, eine Eule zu sein?«
    »Nein!«, rief sie und griff schneller nach dem Taler, als der Obrist ihn hatte wegziehen können. »Der Taler reicht mir.«
    Ihr Blick war eine deutliche Warnung davor gewesen, auch nur den Versuch zu wagen, ihr den Taler wieder wegzunehmen.
    Es waren Katzenaugen, hatte der Obrist damals gedacht, und das hatte sich bis heute nicht geändert. Dieser funkelnde Blick war manchmal noch in ihnen zu sehen. Vor allem, wenn sie ihn daran erinnerte, dass sie kein kleines Mädchen mehr war.
    Also, gut. Es war ein wichtiger Fall – und vielleicht genau das Richtige für sie. Er zog an einem Klingelzug an der Wand, und nur wenige Augenblicke später stand ein Läufer der Federn vor seiner Tür und salutierte.
    »Eine Nachricht für die Maestra vom Turm…«, begann Orikes.

 
    3
     
     
     
    Eulen jagten in der Nacht. Auch Desina, Maestra vom Turm und die Prima der Eulen, war auf der Jagd, aber sie jagte keine Mäuse. Sie war weitaus Wertvollerem als Nagetieren auf der Fährte. Wissen, das seit Jahrhunderten verloren war.
    Gut ein halbes Dutzend schwerer Folianten lagen aufgeschlagen auf den großen Tischen im Lesesaal im ersten Stock des Turms, und diesmal war sie sich fast sicher, dass sie sich auf der richtigen Spur befand. Das alte Buch, das vor ihr lag, enthielt die Pläne der großen Schmiede am Arsenalsplatz. Wenn es überhaupt möglich war, nach all den langen Jahren das zu
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