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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir
Autoren: Richard Schwartz
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der geduldig darauf wartete, dass man ihm erlauben würde, das, was hier lag, einzusammeln und zum nächsten Schrein des Soltar zu bringen. Der Mann hatte wohl nur selten Grund zur Eile.
    Fefre hingegen war in seinem Element und erzählte bunt gemischt Witze und Anekdoten. So sehr der kleine Mann auch manchmal an Santers Nerven zerrte, der Stabsleutnant war im Moment dankbar um ihn, denn er brachte die anderen Soldaten zum Lachen oder Schmunzeln und ließ die Zeit schneller vergehen.
    Doch noch bevor Fefre zu dem Punkt kam, an dem ein gewisser Stabsleutnant zwei Bullen in kompletter Rüstung einfach an den Kragenstücken gepackt und aus der Taverne herausgetragen hatte, bewegte sich in einiger Entfernung etwas.
    Santer richtete sich auf. »Ich glaube, da kommt jemand«, sagte er leise, und selbst Fefre wurde schlagartig still, als sie in die Dunkelheit starrten.
    Kaum einer von ihnen besaß Santers scharfe Augen, dennoch dauerte es eine Weile, bis er die schlanke Gestalt erkennen konnte. Es war die Eule, dessen war er sich sicher. Wer sonst trug eine solche Robe?
    Als sie näher kam, konnte er das Symbol einer Eule auf ihrer linken Brust erkennen, das dort mit schweren Goldfäden in die Robe eingewoben war.
    »Ich hab es doch gesagt.« Fefre grinste und hielt die Hand auf. »Hierher mit den Talern, Stabsleutnant!« Seufzend griff Santer in seinen Beutel und warf dem Korporal zwei Silbertaler zu, die dieser geschickt aus der Luft fing, mit einem Kuss versah und in seinem eigenen Beutel verschwinden ließ. Santer achtete nicht mehr darauf, sondern sah fasziniert zu, wie die Frau näher kam. Es war fast, als ob er sie gefühlt hätte, bevor er sie sah, als ob allein ihre Präsenz hier unten im Hafen alles veränderte.
    Die Eule von Askir.
    Sie trat in den Schein der am Boden liegenden Fackeln hinein und musterte die Soldaten, die sie gebannt ansahen. Viel konnten sie nicht von ihr sehen, nur ihr Kinn und einen fein geschwungenen Mund, der sich zu einem freundlichen Lächeln formte, der Rest ihres Gesichts war von einer Kapuze verborgen, die sie bis zur Nasenspitze ins Gesicht gezogen hatte. Wie die Frau so durch den dichten Stoff etwas erkennen konnte, war Santer ein Rätsel, dennoch schien es ihm, als ob sie ihn nicht minder sorgfältig musterte, als er sie.
    »Der Götter Schutz mit euch allen«, sprach sie in einer weichen, dunklen Stimme. »Ihr müsst Stabsleutnant Santer sein.« Ihr Blick schweifte über den Toten auf den kalten Steinen und jeden einzelnen der Marinesoldaten. Ihr Lächeln weitete sich, als sie sah, wie einer der jüngeren Rekruten hastig wegsah und rot wurde. »Ich bin Desina, Stabsmajor der Eulen, Maestra und Prima des Turms«, fügte sie leise, aber vernehmlich hinzu.
    »Der Götter Gnade mit Euch, Maestra«, antwortete Santer formell. »Ich bin Stabsleutnant Santer, und ich bin dafür verantwortlich, dass das Signal zur Zitadelle weitergereicht und Eure Nachtruhe gestört wurde.«
    Sie sah hoch zu ihm und schmunzelte. »Eulen, sagt man, jagen in der Nacht.« Sie schaute von Santer weg auf den Toten, musterte ihn und seine vornehme Livree. Sie ging auf ein Knie herab, zog mit einem behandschuhten Finger den steifen Kragen des Toten zur Seite und betrachtete den tiefen Schnitt, der sich von Ohr zu Ohr über den Hals zog. Der Kopf war halb vom Körper abgetrennt, denn jemand hatte dem Toten auch noch den Kopf auf den Rücken gedreht.
    Langsam erhob sich die Maestra, ohne den Blick von der Leiche zu wenden. »Dann lasst mich mal herausfinden, was hier wirklich geschah«, sagte sie leise und schaute zu Santer. »Stabsleutnant, weist Eure Leute an, sich mindestens fünf Schritte von dem Toten zurückzuziehen. Und lasst alle Fackeln bis auf eine löschen.«
    »Ihr habt die Maestra gehört«, sagte Santer.
    Die Soldaten griffen ihre Fackeln und machten Platz um den Toten. Das Licht der einen verbliebenen Fackel flackerte unstet, warf ständig neu Licht und Schatten über die Maestra und die Leiche. Fast sah es aus, als ob sich die Prima bewegte, doch sie stand still, den Kopf unter der Kapuze gesenkt, die Arme in den weiten Ärmeln vor der Brust verschränkt, als wäre sie eine Statue.
    Sie stand lange so da, alle schauten sie gespannt an und warteten darauf, dass irgendetwas geschah.
    »Was…«, flüsterte Fefre, doch Santer schüttelte den Kopf und legte mahnend den Finger auf die Lippen.
    Endlich bewegte sie sich, und selbst auf sechs Schritte Entfernung hörte Santer, wie sie tief einatmete.
    »Ich
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