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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir
Autoren: Richard Schwartz
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könne.
    Die Antwort musste den Kaiser überrascht haben, denn der Legionär erwiderte, dass er nichts geschenkt haben wolle. Doch er habe gehört, dass der Kaiser Shah spielen würde. Da er noch nie einen würdigen Gegner beim Shah gefunden habe, schlug er eine Partie vor.
    Würde er, der Legionär, verlieren, würde er der Leibgarde des Kaisers beitreten. Für den Fall, dass er gewinnen würde, bat der Legionär um Entlassung aus dem Militärdienst und um das Grundrecht für die südliche Hafenwacht, die damals gerade erst erbaut worden war, sowie um eine weitere, vielleicht noch größere Gnade: das Recht, auf dem Gelände der Hafenwacht unberührt zu sein von den Gesetzen und den Steuern des Reichs.
    Der Krieg gegen die Nordlandbarbaren hatte drei Monate und zwei Wochen gedauert. Die drei Partien, die der Kaiser und der Legionär spielten, dauerten mit Unterbrechungen fast ein halbes Jahr.
    Das Unglaubliche geschah. Der Legionär schlug den Kaiser in einem Spiel, und die letzte der drei Partien endete in einem Unentschieden.
    Der Kaiser schlug vor, dass der Legionär seine Dienstzeit als Leibgardist beenden solle, danach jedoch würde er ihm seinen Wunsch gewähren.
    So geschah es auch. Nach zwanzig Jahren trat der Legionär aus dem Zweiten Bullen aus und übernahm die südliche Garnison, um darin ein Wirthaus einzurichten, das mittlerweile nicht weniger legendär war als die Geschichte selbst.
    Über dem Tor, das in den Innenhof der Herberge führte, hing in schweren Ketten die gebrochene Klinge einer Kriegsbestie der Nordländer, ein gigantisches Schwert, das von einem Riesen geführt worden war, dessen gebleichter Schädel direkt darüber hing, ein Schädel gut einen Schritt im Durchmesser, mit drei Augenhöhlen, dem Gebiss eines Raubtiers und Zähnen, die eine Elle lang waren.
    Später hatten sich noch andere Schädel zu diesem gesellt. Sie sollten daran erinnern, dass zwar die Gesetze des Reichs an diesem Ort nicht galten, aber der Legionär dennoch Wert darauf legte, dass die Ruhe seines Hauses nicht gestört wurde.
    So wie es aussah, war in der letzten Zeit kein neuer Schädel hinzugekommen. All dies hätte ein vertrauter, vielleicht sogar willkommener Anblick für Desina sein sollen. Dennoch fröstelte sie in ihrer blauen Robe.
    Wie häufig war sie durch dieses Tor gegangen, ohne den Schädeln auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu widmen?
    Noch einmal vollführte sie eine Geste, und wieder leuchteten die Fußspuren für sie in einem magischen, bläulichen Licht. Es gab keinen Zweifel, die Spuren führten durch das massive Tor in den Gasthof. Sie seufzte leise, es war nun fast drei Jahre her, dass sie Istvan das letzte Mal gesehen hatte, und das war nicht die Art und Weise, wie sie sich das Wiedersehen erhofft hatte.
    Doch als sie die Gaststube betrat, lächelte sie unwillkürlich, denn es war so, als käme sie nach einer langen Zeit nach Hause. Nichts hatte sich verändert, alles war noch an seinem Platz. Die Gaststube, ehemals die Messe der kaiserlichen Soldaten, erstreckte sich über die volle Breite und Länge des alten Hauses und war groß genug, dass fünfzig Soldaten gleichzeitig Essen fassen konnten. Anders als in vielen anderen Gasthöfen befanden sich die altersschwarzen Eichenbalken gut einen Meter über ihrem Kopf, die hohe Decke ließ den weißgetünchten Raum noch größer und lichter erscheinen. Ein junges Mädchen war gerade dabei, die schweren Fensterläden zum Hof zu öffnen, ein anderes schrubbte auf den Knien die Steinplatten auf dem Boden, auch das hatte sich nicht verändert. Desina erinnerte sich nur zu gut daran, was für eine harte Arbeit das war, oft genug war sie es gewesen, die hier den Boden schrubbte. Istvan führte zwar einen Gasthof, aber am Morgen wollte er kein altes Bier mehr riechen oder gar sehen.
    Drei lange Jahre war es jetzt her, dass sie das letzte Mal nach Hause gekommen war, aber Istvan hatte sich kein bisschen verändert. Wie lange kannte sie ihn nun? Dreizehn, vielleicht vierzehn Jahre? In der ganzen Zeit schien er kaum gealtert zu sein. Man könnte sogar meinen, er hätte sich nicht einmal von der Stelle bewegt. Groß und massiv, unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung, stand er hinter der Theke. Genau dort, wo sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    Die breiten Schultern sprengten fast die Nähte eines tausendfach gewaschenen Leinenhemds, und die Lederschürze spannte sich über einen beachtlichen Bauch, der allerdings an Bedeutung verlor, wenn man
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