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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir
Autoren: Richard Schwartz
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tiefer, bis zum untersten Fundament des Turms, wo eine mächtige Tür mit dem Relief des Drachen ihm den Weg versperrte.
    Nur ein Maestro des siebten Grades vermochte sie zu öffnen. Doch das war Asela gewesen. Er legte ihre schlanke Hand auf den Knauf, spürte den Biss, als das Schloss ihr das Blut nahm, dann schwang die Tür langsam zurück und gab den Blick frei auf den größten Wolfstempel, der jemals gefunden worden war.
    Balthasar ging weiter bis dorthin, wo der Wolfskopf in der zentralen Säule fehlte – und stellte den Kopf an seinen angestammten Platz.
    Ein fahles Schimmern erfüllte den Raum, als die Magie des Weltstroms zum ersten Mal nach Jahrhunderten wieder hier gebunden wurde. Ein Lichtstrahl zuckte auf, schoss die Achse des Turms entlang, um für einen langen Moment die ganze Zitadelle in ein gleißendes Licht zu hüllen, dann formte sich ein hagerer Körper im Licht und fiel schwer zu Boden.
    Balthasar beugte sich über den Körper, legte schlanke Finger an die Kehle des Mannes und suchte dort wider alle Hoffnung einen Puls.
    Aber der Körper, der dort lag, war alt und verbraucht, schrecklich verbrannt und unbeseelt, wenn überhaupt, konnte ihn nur eine treibende Kraft wecken. Und jeder Atemzug, den er zögerte, verringerte die Aussicht auf Erfolg.
    Er legte sich in Aselas Körper neben den seinen, ließ sie los und suchte den Weg zurück. Er berührte das, was einst sein Körper gewesen war, nur um erschreckt zurückzuzucken. Fast schon erleichtert kehrte er in die weibliche Hülle zurück und seufzte tief.
    Mühsam drehte er den männlichen Körper auf die Seite und sah jetzt die Spur, welche die Magie gezogen hatte, als sie ihn in jenem fernen Tempel verbrannte. In diesem Körper konnte sich kein Leben mehr halten.
    Der Körper der Frau kniete dort, schaute auf das herab, was einst Balthasar gewesen war, und seufzte erneut. Ein schiefes Lächeln zeichnete sich auf ihren blutroten Lippen ab.
    Er hoffte, dass Boron ihr verziehen hatte und dass Soltar ihr die Zeit gewährte, herabzusehen und zu erkennen, dass auch er, der Primus, nicht unfehlbar war. Und ja, er hoffte und betete, dass sie ihm verzieh.
    Vielleicht lachte sie ihn ja jetzt auch aus. Zu oft hatte er sie aufgezogen wegen ihrer Schönheit, wegen der Leichtigkeit, mit der sie Männern die Herzen rauben konnte, wegen ihrer Sprunghaftigkeit und weil sie manchmal einfach nicht ernst bleiben konnte. Frauen, hatte sie gesagt, dürfen das, es macht sie liebenswert.
    Jeder hatte sie geliebt, aber es war Feltor gewesen, der ihr Herz gewann.
    Hier, so nahe an der Quelle der Macht, brauchte es nur eine Geste und einen Gedanken.
    Balthasars toter Körper leuchtete auf und verging in einem hellen Gleißen. Eine Träne fiel von der Wange der Frau, aber sie weinte nicht um ihn.
    Lange kniete der Körper dort. Woher hätte er denn wissen sollen, dass ihre Erinnerungen blieben, die alten wie auch die der letzten Jahrhunderte? Der Körper zuckte und bebte, als er ihre Erinnerungen durchforstete und erkannte, was ihr alles angetan worden war. Stück für Stück schloss er diese Erinnerungen weg, sorgfältig darauf achtend, dass die Türen auch geschlossen bleiben würden. Denn wenn er diesen Erinnerungen erlaubte, in ihm zu verweilen, würden sie ihn mit Sicherheit in den Wahnsinn treiben.
    Endlich war es getan, und er atmete auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. Dann zögerte er nicht länger, sondern stand auf und legte eine Hand auf eine goldene Schale, die einen großen Kristall in sich barg, der imstande war, den Weltenstrom zu lenken.
    Ein Muster gab es, das für diesen Tempel richtig war, er musste nicht einmal darüber nachdenken, zu sehr war es in seiner Erinnerung eingebrannt, in seiner und in ihrer. Fünfmal klappte die schlanke Hand eine goldene Schale zurück, bis nach langen, endlosen Jahren wieder fünf schillernde Bänder von Magie durch den Wolfskopf flossen.
    Einen Moment noch stand er da und betrachtete das pulsierende Wogen des Weltenstroms, dann drehte er sich um und ging in Aselas Körper hinaus. Lautlos schloss sich die mächtige Tür hinter ihm, als die langsamen Schritte auf der Treppe verhallten.
    Fern vom Turm der Eulen, in der alten Schmiede, begann ein mächtiges Rad zu summen. Dann fing es an, sich zu drehen, mit einem lauten Knirschen und einem Poltern, das die mächtigen Fundamente der alten Schmiede
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