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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir
Autoren: Richard Schwartz
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Fefre dankbar war, denn ohne ihn hätte er jetzt noch jämmerlicher gefroren, als er es ohnehin schon tat.
    Abgesehen von dem Gurgeln des Wassers und dem Knarren der unzähligen Schiffe war es still hier im Hafen, so still, dass Fefre die Atemzüge seiner Kameraden hören konnte und das Knistern und Zischen der Fackel in seiner Hand laut in seinen Ohren klang.
    »Halte die Fackel höher, Fefre«, riss die tiefe Stimme des Stabsleutnants ihn aus seinen Gedanken. »Und achte darauf, wohin sie tropft.« Der Mann, der neben dem Leichnam auf dem kalten Stein der Hafenstraße kniete, war groß und bullig, beinahe zu groß für die Lederrüstung einer Seeschlange, deren Schnallen sich fast nicht um den massiven Brustkorb schließen lassen wollten. Der Vorgesetzte besaß ein kantiges Gesicht, das wie aus Granit gemeißelt schien, und hellgraue Augen, die nur selten ihre Ruhe verloren.
    Stabsleutnant Santer war ein Mann, von dem die abenteuerlichsten Geschichten erzählt wurden. Manche von ihnen entsprachen sogar der Wahrheit. Wie die, dass er sich einmal vor Jahren, als er noch ein junger Rekrut war und es nicht besser wusste, mit einer ganzen Hafenbande angelegt hatte, und er zum Schluss als Einziger noch stand. Eine wahre Legende, das konnte Fefre selbst bestätigen, bis auf das Ende. Denn Santer stand nicht, als Fefre ihn fand, sondern saß an eine Hauswand gelehnt, die Hand auf einen blutenden Einstich gepresst.
    Legenden gab es viele im Hafen dieser alten Stadt, so auch die von den Seeschlangen, den Meeresungeheuern, die den kaiserlichen Marineinfanteristen ihren Namen liehen. Ungeheuer, die man bei ruhiger See und vollen Monden des Nachts tief im Hafenbecken kreisen sah, ein ferner Schimmer tief im Wasser, als ob die Kreaturen Laternen bei sich tragen würden. Im Hafen galt das Wort, dass man sich besser nicht mit Stabsleutnant Santer anlegen sollte, ebenso gut könnte man auch gleich mit den Seeschlangen um die Wette schwimmen.
    Der Mann, der hier zu ihren Füßen lag, war niemand, der sich des Nachts hier hätte aufhalten sollen. Im Leben war er groß und schlank gewesen, fast schon dürr, und er trug die reichbestickte Livree eines vornehmen Dieners. Jetzt im Tod war sein Gesicht eine Fratze, die Fefre nur ungern in seinen Träumen Wiedersehen wollte.
    »Nun, Fefre, bist du immer noch sicher, dass es eine gute Idee war, den beiden Bullen Seife ins Bier zu werfen?«, fragte Santer, während er mit spitzen Fingern dem Toten eine blutige Silberkette aus dem Kragen nestelte. Der Streich hatte ihnen als Strafe diese zusätzliche Nachtschicht eingebracht.
    »Nun«, antwortete Fefre, »so dreckig, wie deren Mundwerk war, konnte ich einfach nicht anders!« Ein paar der anderen Seeschlangen, die zu ihrem Trupp gehörten, lachten. Auch sie hatten von dem Streich gehört, den Fefre den Bullen gespielt hatte.
    Santer lächelte in die Dunkelheit hinein, als er einen der anderen Soldaten fragen hörte, was denn genau gestern Nacht in der Dunklen Laterne geschehen war. Die Antwort des Korporals ließ neues Gelächter folgen. Fefre und er waren vor elf langen Jahren zusammen zu den Seeschlangen gegangen. Von Anfang an waren die Bullen, die schwere Infanterie der Reichsstadt, Ziel von Fefres Schabernack und Späßen gewesen, was sicherlich dazu beigetragen hatte, dass er immer noch nur ein Schwertkorporal war.
    Jetzt war Santer das Gelächter, das der Korporal mit seiner drolligen Art hervorrief, nur allzu recht. Es war nicht gut für einen Soldaten, in einer schwarzen Nacht wortlos auf einen Toten zu starren und dunklen Gedanken nachzuhängen.
    Endlich gelang es Santer, den Verschluss der Kette zu lösen. Das Lächeln erstarb ihm auf den Lippen, als er erkannte, was er hier in den Händen hielt.
    Er fluchte leise und sah zu dem Korporal hoch. »Götter!«, sagte er dann. »Das wird eine lange Nacht, Fefre. Dafür bist du mir etwas schuldig.«
    »Warum?«, fragte Fefre neugierig.
    Wortlos hielt Santer ihm den Anhänger hin, den er bei dem Toten gefunden hatte.
    Fefre pfiff leise durch sie Zähne, als er das Symbol erkannte.
    »Vielleicht schicken sie uns die Eule«, sagte er und grinste breit. »Das wäre doch mal etwas! Das dürfte sie wohl interessieren.«
    »Eine Eule? Es gibt wieder eine Eule?«, fragte Santer überrascht. Er musste sich wohl verhört haben. Seit fast siebenhundert Jahren hatte es keine Eulen mehr in Askir gegeben. »Wir haben wieder einen ausgebildeten Maestro? Jemand, der den Eid geschworen hat und in den
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