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Die Erziehung des Menschengeschlechts

Die Erziehung des Menschengeschlechts

Titel: Die Erziehung des Menschengeschlechts
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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eines ganz natuerlichen Mittels bediente; eines bessern richtigern Maassstabes, nach welchem es ihn zu schaetzen Gelegenheit bekam.
    Die Erziehung des Menschengeschlechts
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    Die Erziehung des Menschengeschlechts
    Sec.. 35.
    Anstatt dass es ihn bisher nur gegen die armseligen Goetzen der kleinen benachbarten rohen Voelkerschaften geschuetzt hatte, mit welchen es in bestaendiger Eifersucht lebte: fing es in der Gefangenschaft unter dem weisen Perser an, ihn gegen das Wesen aller Wesen zu messen, wie das eine geuebtere Vernunft erkannte und verehrte.
    Sec.. 36.
    Die Offenbarung hatte seine Vernunft geleitet, und nun erhellte die Vernunft auf einmal seine Offenbarung.
    Sec.. 37.
    Das war der erste wechselseitige Dienst, den beyde einander leisteten; und dem Urheber beyder ist ein solcher gegenseitiger Einfluss so wenig unanstaendig, dass ohne ihm eines von beyden ueberfluessig seyn wuerde.
    Sec.. 38.
    Das in die Fremde geschickte Kind sahe andere Kinder, die mehr wussten; die anstaendiger lebten, und fragte sich beschaemt: warum weiss ich das nicht auch? warum lebe ich nicht auch so? Haette in meines Vaters Hause man mir das nicht auch beibringen; dazu mich nicht auch anhalten sollen? Da sucht es seine Elementarbuecher wieder vor, die ihm laengst zum Ekel geworden, um die Schuld auf die Elementarbuecher zu schieben. Aber siehe! es erkennet, dass die Schuld nicht an den Buechern liege, dass die Schuld ledig sein eigen sey, warum es nicht laengst eben das wisse, eben so lebe.
    Sec.. 39.
    Da die Juden nunmehr, auf Veranlassung der reinern Persischen Lehre, in ihrem Jehova nicht blos den groessten aller Nationalgoetter, sondern Gott erkannten; da sie ihn als solchen in ihren wieder hervorgesuchten heiligen Schriften um so eher finden und andern zeigen konnten, als er wirklich darinn war; da sie vor allen sinnlichen Vorstellungen desselben einen eben so grossen Abscheu bezeugten, oder doch in diesen Schriften zu haben angewiesen wurden, als die Perser nur immer hatten: was Wunder, dass sie vor den Augen des Cyrus mit einem Gottesdienste Gnade fanden, den er zwar noch weit unter dem reinen Sabeismus, aber doch auch weit ueber die groben Abgoettereyen zu seyn erkannte, die sich dafuer des verlassnen Landes der Juden bemaechtiget hatten?
    Sec.. 40.
    So erleuchtet ueber ihre eignen unerkannten Schaetze kamen sie zurueck, und wurden ein ganz andres Volk, dessen erste Sorge es war, diese Erleuchtung unter sich dauerhaft zu machen. Bald war an Abfall und Abgoetterey unter ihm nicht mehr zu denken. Denn man kann einem Nationalgott wohl untreu werden, aber nie Gott, so bald man ihn einmal erkannt hat.
    Sec.. 41.
    Die Gottesgelehrten haben diese gaenzliche Veraenderung des juedischen Volks verschiedentlich zu erklaeren gesucht; und Einer, der die Unzulaenglichkeit aller dieser verschiednen Erklaerungen sehr wohl gezeigt hat, wollte endlich “die augenscheinliche Erfuellung der ueber die Babylonische Gefangenschaft und die Wiederherstellung aus derselben ausgesprochnen und aufgeschriebnen Weissagungen,” fuer die wahre Ursache derselben angeben. Aber auch diese Ursache kann nur in so fern die wahre seyn, als sie die nun erst vereitelten Begriffe von Gott voraus setzt. Die Juden mussten nun erst erkannt haben, dass Wunderthun und Die Erziehung des Menschengeschlechts
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    Die Erziehung des Menschengeschlechts
    das Kuenftige vorhersagen, nur Gott zukomme; welches beydes sie sonst auch den falschen Goetzen beygeleget hatten, wodurch eben Wunder und Weissagungen bisher nur einen so schwachen, vergaenglichen Eindruck auf sie gemacht hatten.
    Sec.. 42.
    Ohne Zweifel waren die Juden unter den Chaldaeern und Persern auch mit der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele bekannter geworden. Vertrauter mit ihr wurden sie in den Schulen der Griechischen Philosophen in Aegypten.
    Sec.. 43.
    Doch da es mit dieser Lehre, in Ansehung ihrer heiligen Schriften, die Bewandniss nicht hatte, die es mit der Lehre von der Einheit und den Eigenschaften Gottes gehabt hatte; da jene von dem sinnlichen Volke darum war groeblich uebersehen worden, diese aber gesucht seyn wollte; da auf diese noch Voruebungen noethig gewesen waren, und also nur Anspielungen und Fingerzeige Statt gehabt hatten: so konnte der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele natuerlicher Weise nie der Glaube des gesammten Volks werden. Er war und blieb nur der Glaube einer gewissen Sekte desselben.
    Sec.. 44.
    Eine Voruebung auf die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, nenne ich z. E. die
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