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Die Erziehung des Menschengeschlechts

Die Erziehung des Menschengeschlechts

Titel: Die Erziehung des Menschengeschlechts
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Schritte mir scheinen sollten, zurueck zu gehen!—Es ist nicht wahr, dass die kuerzeste Linie immer die gerade ist.
    Sec.. 92.
    Du hast auf deinem ewigen Wege so viel mitzunehmen! so viel Seitenschritte zu thun!—Und wie? wenn es nun gar so gut als ausgemacht waere, dass das grosse langsame Rad, welches das Geschlecht seiner Vollkommenheit naeher bringt, nur durch kleinere schnellere Raeder in Bewegung gesetzt wuerde, deren jedes sein Einzelnes eben dahin liefert?
    Sec.. 93.
    Die Erziehung des Menschengeschlechts
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    Die Erziehung des Menschengeschlechts
    Nicht anders! Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu seiner Vollkommenheit gelangt, muss jeder einzelne Mensch (der frueher, der spaeter) erst durchlaufen haben.—“In einem und eben demselben Leben durchlaufen haben? Kann er in eben demselben Leben ein sinnlicher Jude und ein geistiger Christ gewesen seyn? Kann er in eben demselben Leben beyde ueberhohlet haben?”
    Sec.. 94.
    Das wohl nun nicht!—Aber warum koennte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen seyn?
    Sec.. 95.
    Ist diese Hypothese darum so laecherlich, weil sie die aelteste ist? weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterey der Schule zerstreut und geschwaecht hatte, sogleich darauf verfiel?
    Sec.. 96.
    Warum koennte auch Ich nicht hier bereits einmal alle die Schritte zu meiner Vervollkommung gethan haben, welche blos zeitliche Strafen und Belohnungen den Menschen bringen koennen?
    Sec.. 97.
    Und warum nicht ein andermal alle die, welche zu thun, uns die Aussichten in ewige Belohnungen, so maechtig helfen?
    Sec.. 98.
    Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf Einmal so viel weg, dass es der Muehe wieder zu kommen etwa nicht lohnet?
    Sec.. 99.
    Darum nicht?—Oder, weil ich es vergesse, dass ich schon da gewesen? Wohl mir, dass ich das vergesse. Die Erinnerung meiner vorigen Zustaende, wuerde mir nur einen schlechten Gebrauch des gegenwaertigen zu machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessen muss, habe ich denn das auf ewig vergessen?
    Sec.. 100.
    Oder, weil so zu viel Zeit fuer mich verloren gehen wuerde?—Verloren? —Und was habe ich denn zu versaeumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?
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