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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Autoren: Agatha Christie
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Samuelsons Salon war größer, kostbarer eingerichtet und noch überheizter als der von Lady Hoggin. Poirot bewegte sich ängstlich schwankend zwischen Konsoltischchen und großen Statuengruppen.
    Mrs Samuelson war größer als Lady Hoggin, und ihr Haar war blond gefärbt. Ihr Pekinese hieß Nanki Poo. Er blickte Poirot aus hervorquellenden Augen hochmütig an. Mrs Samuelsons Gesellschafterin war im Gegensatz zu Miss Carnaby dünn und eingeschrumpft, aber auch redselig und etwas kurzatmig. Auch sie war für Nanki Poos Verschwinden gerügt worden.
    »Aber wirklich, Monsieur Poirot, es war die unglaublichste Geschichte. Es spielte sich alles in einer Minute ab. Es war vor Harrods. Eine Pflegerin fragte mich, wie viel Uhr es sei.«
    Poirot unterbrach sie.
    »Eine Pflegerin? Eine Krankenpflegerin?«
    »Nein, nein – eine Kinderpflegerin. Und bei einem so süßen Baby! Man sagt, dass die Londoner Kinder nicht gesund aussehen, aber ich bin sicher – «
    »Ellen«, sagte Mrs Samuelson.
    Miss Keble errötete, stotterte und versank in Schweigen. Mrs Samuelson sagte eisig:
    »Und während Miss Keble sich über einen Kinderwagen beugte, der sie gar nichts anging, schnitt der freche Bösewicht Nanki Poos Leine durch und machte sich mit ihm davon.«
    Miss Keble flüsterte weinerlich:
    »Es geschah alles in einer Sekunde. Ich blickte mich um, und der Kleine war fort – ich hatte nur noch die baumelnde Leine in der Hand. Vielleicht möchten Sie die Leine sehen, Monsieur Poirot?«
    »Nein, nein«, sagte Poirot hastig. Er hatte nicht die Absicht, eine Sammlung durchschnittener Hundeleinen anzulegen. »Wie ich höre«, fuhr er fort, »erhielten Sie kurz darauf einen Brief?«
    Die Geschichte nahm genau den gleichen Verlauf – der Brief – die gefährlichen Drohungen gegen Nanki Poos Ohren und Schweif. Nur zwei Dinge waren anders – die geforderte Summe: dreihundert Pfund – und die Adresse, an die sie zu senden war. Diesmal war es an Commander Backleigh, Harrington Hotel, 76 Clonmel Gardens, Kensington.
    Mrs Samuelson fuhr fort:
    »Als Nanki Poo glücklich wieder daheim war, ging ich selbst dorthin. Dreihundert Pfund sind schließlich dreihundert Pfund.«
    »Gewiss.«
    »Das erste, was ich sah, war mein Brief mit dem beigefügten Geld in einer Art Gestell in der Halle. Während ich auf die Eigentümerin wartete, steckte ich den Brief in meine Tasche. Leider – «
    Poirot sagte: »Leider enthielt der Brief, als Sie ihn öffneten, nur leere Bogen Papier.«
    »Wieso wissen Sie das?« Mrs Samuelson wandte sich mit ehrfürchtiger Scheu ihm zu.
    »Natürlich, chère Madame, wird der Dieb Sorge tragen, das Geld an sich zu nehmen, ehe er den Hund zurückstellt. Dann ersetzt er die Banknoten durch leere Bogen Papier und gibt den Brief zurück, falls seine Abwesenheit bemerkt werden sollte.«
    »Niemand namens Commander Backleigh hat je dort gewohnt.«
    Poirot lächelte.
    »Und natürlich war mein Mann wütend über die ganze Sache. Er war käseweiß – käseweiß.«
    »Sie haben sich nicht – hm – mit ihm beraten, ehe Sie das Geld sandten?«
    »Gewiss nicht«, sagte Mrs Samuelson fest.
    Poirot blickte sie fragend an. Sie erklärte:
    »Ich hätte es um nichts in der Welt riskiert. Männer sind so komisch, wenn es sich um Geld handelt. Jacob hätte darauf bestanden, zur Polizei zu gehen. Das konnte ich nicht wagen. Mein armer, süßer Nanki Poo. Es hätte ihm weiß der Himmel was geschehen können. Ich musste es nachher meinem Mann sagen, weil ich ihm erklären musste, warum mein Konto bei der Bank überzogen war.«
    Poirot flüsterte:
    »Natürlich – natürlich.«
    »Und ich habe ihn tatsächlich noch nie so wütend gesehen. Männer«, wiederholte Mrs Samuelson, schob ihr kostbares Armband zurecht und drehte die Ringe an ihren Fingern, »haben nichts als Geld im Kopf.«
     
    Hercule Poirot fuhr mit dem Lift zu Sir Josephs Büro. Er ließ sich anmelden und erfuhr, dass Sir Joseph im Augenblick beschäftigt sei, ihn aber in Kürze empfangen würde. Endlich schwebte eine hochnäsige Blondine, die Arme voller Akten, aus Sir Josephs Zimmer. Sie warf dem sonderbaren kleinen Mann im Vorbeigehen einen verächtlichen Blick zu.
    Sir Joseph saß hinter seinem riesigen Mahagonischreibtisch. Auf seinem Kinn waren Spuren von Lippenstift.
    »Nun, Monsieur Poirot, setzen Sie sich. Bringen Sie mir eine Nachricht?«
    Hercule Poirot sagte:
    »Die ganze Sache ist von kindlicher Einfachheit. In beiden Fällen wurde das Geld an eine jener Pensionen
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